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Kultur: Walkers Nachtlied

Früher war das Wandern nicht nur des legendären Müllers Lust. Heute aber ist das Wandern out, weil der Zeitgeist zwar wechselt, aber nicht mehr wandert.

Früher war das Wandern nicht nur des legendären Müllers Lust. Heute aber ist das Wandern out, weil der Zeitgeist zwar wechselt, aber nicht mehr wandert. Sondern walkt. Wenn er kräftig walkt, dann wird er zum Power-Walker, und mit Skilanglaufstöcken im grünen Flachland ist er ein Nordic–Walker; dem freilich setzt jetzt die Schweiz mit ihrem Olympiaarzt Beat Villiger als Markenzeichen das „Alpine Walking“ entgegen. In der frischen Bergluft aktiviert es, laut Villiger, die „körpereigenen Glückshormone“ und „fördert das Wellbeing“. Hierauf hat sich auch das Zürcher Dichter-Institut („Dichter“!) dem „Wellness-Walker“ zugewandt, und im Auftrag der Tourismusbranche vier walkende Haupttypen eruiert: den trendigen Gesundheitswalker, den genussfreudigen Regenerationswalker, den leistungsorientierten Bergwalker und den geselligen Naturwalker. Im Freizeitpark Deutschland stießen die Zürcher Marktforscher übrigens weniger auf den sportiven Leistungstyp, sondern, wen wundert’s, auf den eher Komfort-interessierten Bewegungsamateur. Für den gibt es dann Smart-Walking und Swing-Walking, und Walker’s Nachtlied kennt er als Whisky-Reklame – wenn er fit und fertig endlich seine Wohlfühler ausstrecken darf. Was dagegen? Nicht wirklich. Aber als ich am letzten sonnigen Walkerwochenende unter einer brandenburgischen Gasthofkastanie las, dass nebenan demnächst eine „Wellness-Scheune“ entsteht, da habe ich den nötigen Aufschwung der (Gast-)Wirtschaft wohl verstanden. Und diese Sprache dennoch gehasst. Ja: GEHASST!

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