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Kultur: Warum sich Frankreich so schwer mit der deutschen Vereinigung tat

Als die Sowjetunion zusammenbrach, hatte das auch Auswirkungen auf die Außenpolitik Frankreichs. Sie kam ins Schlingern.

Als die Sowjetunion zusammenbrach, hatte das auch Auswirkungen auf die Außenpolitik Frankreichs. Sie kam ins Schlingern. Denn plötzlich schien die Geschäftsgrundlage der deutsch-französischen Beziehungen - die bei der Konferenz von Jalta 1945 festgezurrte Nachkriegsordnung - in Frage gestellt zu sein. Das machtpolitische Koordinatensystem verschob sich zugunsten Deutschlands. Beide Länder mussten ihre Beziehungen überdenken und neu definieren. Frankreich hatte damit größere Probleme als Deutschland. Dennoch konnte das dem besonderen Verhältnis wenig anhaben.

Valerie Guerin-Sendelbach widmet sich in ihrer gelungenen Arbeit der innerfranzösischen Diskussion über den deutschen Vereinigungsprozess. Dabei geht es ihr um den Einfluss dieser Wende auf die französische Deutschland- und Europapolitik. Deren Grundlagen seit 1989 zeichnet die Mitarbeiterin am Bonner Zentrum für Europäische Integrationsforschung nach.

Die meisten Franzosen waren 1989 den Deutschen wohlwollend gesonnen. Die "classe politique" hatte allerdings eine andere Einstellung. Staatspräsident Mitterand versuchte alles, um den Einigungsprozess aufzuhalten. Seine Reisen zu Gorbatschow und zu Hans Modrow nach Ost-Berlin bestärkten ihn in seiner ablehnenden Haltung. Aber schon Mitte 1990 sah die französische Regierung ein, dass sie den "Vereinigungsprozess nicht verhindern, aber auch nicht beschleunigen" konnte. Alle Akteure hatte die Rechnung ohne "das Volk" gemacht.

Die Regierung in Paris ging nach Ansicht von Guerin-Sendelbach von falschen Voraussetzungen aus und verlor den "Anschluss an die Realität". Trotz großer Irritationen und dem Ende des "goldenen Zeitalters" der Beziehungen in den achtziger Jahren betont Guerin-Sendelbach immer wieder die alles dominierende Kontinuität in den Beziehungen. Als wichtigste Aufgabe sieht sie den politischen und gesellschaftlichen Dialog über politische Grundsatzfragen zwischen beiden Staaten an, um das gegenseitige Misstrauen abzubauen.Valerie Guerin-Sendelbach: Frankreich und das vereinigte Deutschland. Interessen und Perzeptionen im Spannungsfeld. Leske & Budrich, Opladen 1999. 358 Seiten. 39,80 DM.

Ludwig Watzal

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