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Kultur: Was die Leere lehrt

Beispiel Ostdeutschland: Das Architekturmuseum in Frankfurt/Main zeigt Modelle des Stadtumbaus

Ein Riss geht durch Deutschland. Auch noch 17 Jahre nach der deutschen Einheit. Immerhin war die Hälfte der Bundesbürger West noch nie in den neuen Ländern, wie eine Umfrage im vergangenen Jahr ergab. Da kommen Desinteresse und Informationsdefizit fatal zusammen. Um dem Westen den Osten näherzubringen, startet in Frankfurt am Main eine Bilanz des Bauens im Osten seit 1990. Das Deutsche Architekturmuseum hat dafür die zwei Berliner Kuratoren Ernst A. Busche und Oliver G. Hamm zurate gezogen.

Im Erdgeschoss werden 145 Bauten mit großen Fototafeln vorgestellt, im Obergeschoss sechs Städte und Landschaften mit ihren Umbauten präsentiert. Die Schau blendet aber Berlin und alle Landeshauptstädte aus, da sie einer anderen Dynamik unterliegen. Eine gute Idee ist auch der ungewöhnliche Fußbodenbelag. Mit Füßen tritt man Fotos von Supermärkten, Wohnblöcken und biederen Einfamilienhäusern, die in Ost und West zu finden ist. Das Bausparerglück findet sich überall.

Dagegen hängt an den Wänden ein Panoptikum moderner Architektur. So vergleicht Oliver G. Hamm die Situation mit dem Aufbruch in Spanien nach dem Tod von Staatschef Franco 1975. Freilich kamen in Ostdeutschland nur selten heimische Architekten zum Zug. Aber das hat sie eher angespornt. Frank Zimmermann etwa hat in Cottbus Plattenbauten von elf auf acht Stockwerke gekürzt und aus den alten Teilen Stadtvillen gebaut. Die viel gescholtene „Platte“ ist also doch noch zu etwas nützlich.

Die Übersicht über 120 bemerkenswerte Ostbauten wird mehrfach unterbrochen von den besten 25 Projekten, jedoch getrennt nach den fünf Ländern. Das macht die Schau etwas unübersichtlich. Besonders für diejenigen Besucher, die von den spektakulären Bauten bislang nur gehört haben. Etwa von Zaha Hadids kühn gezackter Leipziger BMW-Zentrale, von Sauerbruch und Huttons schleifenförmigem Dessauer Umweltbundesamt oder von Jean Nouvels wie eine Kaimauer entworfenem Wismarer Technologie- und Forschungszentrum.

Offenbar setzen sich die Stars am stärksten bei Wettbewerben durch. Aber auch weniger renommierte Architekten können gut (um)bauen. Im thüringischen Städtchen Leinefelde hat Stefan Forster (Frankfurt am Main) ein kleines Bauwunder bewirkt. Aus einer 180 Meter langen Plattenbauzeile sägte er acht Stadtvillen heraus und gestaltete sie im Zuschnitt völlig um. Ohnehin gilt Leinefelde längst als Flaggschiff des Stadtumbaus, wie der zweite Ausstellungsteil zeigt. Die Stadt handelte bereits 1995, als die Einwohnerzahl rapide sank. 1600 Wohnungen wurden abgerissen, 3000 saniert und nur hundert neu gebaut. Aber der Umbau funktioniert nur, weil man sich auch um Gewerbeansiedlungen kümmerte und den verbliebenen 6000 (von einst 14 000) Bewohnern eine gute Infrastruktur bietet.

Krasse Gegenbeispiele sind Hoyerswerda und Cottbus, die zu spät und zu unüberlegt auf den Einwohnerschwund reagierten. Jetzt werden ausgedünnte Stadtteile zu sozialen Brennpunkten, obgleich dort große Parks entstehen. Überdies explodieren die Kosten der Infrastruktur. Denn einen Wald mit Kanalanschluss zahlen die Bürger bei der Wassergebühr mit. Folglich sollte der von Bund und Land geförderte „Umbau Ost“ nicht nur den Abriss von Wohnungen fördern, sondern auch die Aufwertung des Bestandes und die Stärkung der Wirtschaft.

Nicht zu vergessen der zuweilen kuriose Umgang mit der Historie, der am Beispiel des Dresdner Neumarktes mit seinen pseudobarocken Bauten thematisiert wird. Aber Dresden ist überall. Der Wiederaufbau der Altstädte wird derzeit von Berlin bis Frankfurt diskutiert. Auch der Rückbau von Wohnungen steht in Gelsenkirchen, Pirmasens und Völklingen bevor. Da kann der Westen einiges vom Osten lernen. Auch dank dieser Schau, die später in den Osten wandert.

Frankfurt am Main, Deutsches Architekturmuseum, bis 26. August

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