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Kultur: Was ist konservativ?: Maß und Mitte

Die Union, das muss geklärt bleiben, ist nicht die "Partei der deutschen Konservativen", wie der Kanzler in offensichtlich diffamierender Absicht zu formulieren beliebt. Sie bleibt Volkspartei, die zur Mitte hin integriert auf der Grundlage von Werten, die sich aus dem christlichen Menschenbild ableiten.

Die Union, das muss geklärt bleiben, ist nicht die "Partei der deutschen Konservativen", wie der Kanzler in offensichtlich diffamierender Absicht zu formulieren beliebt. Sie bleibt Volkspartei, die zur Mitte hin integriert auf der Grundlage von Werten, die sich aus dem christlichen Menschenbild ableiten. Dazu gehört auch Konservatives. Bewahren wird angesichts schnellerer und als bedrohlich empfundener Veränderungsprozesse wichtiger. Globalisierung, New Economy, Entschlüsselung des Genoms - alles erscheint möglich, nichts mehr gewiss. Kein Wunder, dass ein medial inszenierter Regierungsstil der Beliebigkeit nicht nur der abnehmenden Bindungskraft traditioneller Institutionen - von Kirchen bis zu Gewerkschaften - zu entsprechen scheint, sondern auch der schwindenden Integrationswirkung und Attraktivität demokratisch institutionalisierter Entscheidungsprozesse.

Dem wirken Bewahren und Mitte entgegen. Das Bedürfnis nach Nähe und Vertrautheit wird in Zeiten der Globalisierung stärker, weil Orientierung verloren geht. Deshalb ist Subsidiarität oder Dezentralisierung das bessere Ordnungsprinzip als bürokratischer Zentralismus, also Vorrang für Engagement und Verantwortung des Einzelnen, Stärkung der Familie, ehrenamtliches Engagement, kommunale Selbstverwaltung, Föderalismus vom Länderfinanzausgleich bis zum europäischen Verfassungsvertrag.

Die Desillusionierung der Aktienspekulation im Neuen Markt signalisiert, dass der Mensch auch im Zeitalter von Internet und e-commerce im Alltag sich nicht ständig zwischen einer unendlichen Vielzahl von Angeboten und Möglichkeiten entscheiden kann und mag. Erfahrungen und ihre Weitergabe, Gebräuche und Sitten bleiben wichtig. Sozialisation nennt man das, und sie formt nicht nur die Gesellschaft, sondern sie entlastet den Einzelnen. Daraus wächst Zugehörigkeit, Identität, und die bleibt Voraussetzung und Grenze für Offenheit und Toleranz. Grenzenlosigkeit hält der Mensch nicht leicht aus, weshalb Selbstgewissheit eher Perversionen bis hin zu Gewaltexzessen und Fundamentalismus vermeidet.

Familie ist die Institution, die Zusammenhalt der Generationen und gegenseitige Verantwortung von Jung und Alt sichert. Ohne sie wird auch das Prinzip der Nachhaltigkeit im Umweltschutz - Respekt vor der Schöpfung und für künftige Generationen - schwächer. Dass Umweltschutz derzeit wenig Konjunktur zu haben scheint, wirft nicht nur ein bezeichnendes Licht auf rot-grüne Politik, sondern beweist, wie notwendig Maß und Mitte, Kontinuität und Bewahren bleiben gerade angesichts der Flut von Informationen und Medien und der daraus immer schneller wechselnden Abfolge von Themen, Erregungen und Moden.

Wenn es nicht nur eine alleingültige Meinung geben darf und Interessen grundsätzlich ebenso vielfältig wie gleichwertig sind, dann bleiben Wettbewerb und Mehrheitsentscheidung die richtige Ordnung, um die Prinzipien von Menschenwürde, Freiheit und Gleichheit zu verwirklichen.

Der Leistungsgedanke entspricht der Wettbewerbsordnung so sehr wie den Prinzipien von Freiheit und Eigenverantwortung. Das gilt auch für das Bildungssystem. Informationstechnik allein kann die Vermittlung grundlegender Fähigkeiten zur Kommunikation - Lesen und Schreiben, nicht nur in der eigenen Sprache - und zur Bewertung nicht obsolet machen, vom Rechnen bis zur Vermittlung von Maßstäben, also Naturwissenschaften wie Geschichte und Religion. Ganzheitlicher Bildungs- und Erziehungsauftrag heißt das und folgt aus dem christlichen Menschenbild ebenso wie aus den Erkenntnissen der Aufklärung.

Ohne eine nicht nur theoretisch fundierte, sondern auch praktisch eingeübte Wertegrundlage bleibt keine Freiheitsordnung stabil. Ethische Grundfragen sind gerade angesichts der Entwicklungen in Naturwissenschaften und Medizin nicht nur Sache hehrer Philosophenkränzchen. Darf der Mensch tun oder auch unterlassen, was er vielleicht kann? Den rechten Weg zu finden zwischen dem Auftrag, seine Talente zu nutzen, und der Unverfügbarkeit von Anfang und Ende - auch das heißt Maß und Mitte.

Bewahren und Erneuern, beides bleibt wichtig, und dafür braucht es Maßstäbe. Aus Menschenbild und Wertegrundlagen. Nicht "anything goes" und Beliebigkeit, sondern Verantwortung für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

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