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Was machen wir heute?: Abschied nehmen am See

Wie ein Westberliner die Stadt erleben kann - noch einmal ins Loretta am Wannsee gehen.

So musste es wohl kommen, am Stölpchensee. Selten, doch oft genug, habe ich nach dem dortigen Ausflugslokal gesehen, bin dann in eine leicht melancholische Stimmung verfallen. Der Garten um den schmucken Fünfziger-Jahre-Pavillon schien zu verwildern, das Gras über eine gute Adresse zu wachsen. Das Restaurant-Café blieb mir stets auf geheimnisvolle Weise vertraut. Es hatte spätestens seine große Zeit, als ich in den sechziger Jahren im Schüler-Vierer oder Achter vorbeiruderte, unterwegs vom Kleinen Wannsee zum Griebnitzsee, und hunderte Augenpaare unser Boot vom Ufer aus verfolgten.

Das Lokal war zur Sommerzeit proppevoll, es gab sogar ein kleines Freibad nebenan, die Schiffsanlegestelle vorm Cafégarten hatte gut zu tun. Ich weiß nicht, wie lange das alles gut ging, irgendwann hatte das Restaurant die Zeit verschlafen, es wurde zwar mal renoviert, doch der Charme welkte dahin – und zog mich doch an. Der Parkplatz vorm Haus mit Garten an der Kohlhasenbrücker Straße war zuletzt ziemlich leer. Es tat mir ums Lokal auch deshalb leid, weil ich hier mal ein besonders geglücktes Eisbein gegessen hatte, das will was heißen. Am Ufer gegenüber wurden schicke Villen errichtet und aufgefrischt, hier zehrte der Ort allein von toller Aussicht. Was soll ich lange rumreden: Die Zufahrtsschilder sind abmontiert, das alte Restaurant zeigt sich in leerer Hülle, seine Seele ist sozusagen ausgeflogen in den Himmel fast vergessener großer Ausflugslokale West-Berlins. Hat wohl nicht mehr in die feine Gegend gepasst.

Ich nehme Abschied von einem Ort, der aus der Zeit gefallen schien, der sich tapfer über all die Jahre hielt, während die Ausflugsströme und -schiffe an ihm vorbeizogen. Wie gern hätte ich hier noch mal Eisbein gegessen.

Noch ein Abschied am See: Auch für das altgewohnte Loretta am Wannsee, Kronprinzessinnenweg, ist nun die Zeit fast abgelaufen. Am Wochenende des 26./27. September wird dort die letzte Bratwurst gegrillt, das letzte Bier gezapft.

Christian van Lessen

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