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Was machen wir heute?: Am Boden bleiben

Es ist Sommerferienzeit, und dazu will ich mal was Grundsätzliches sagen, auch wenn ich persönlich ja keine Ferien habe, sondern arbeiten gehe als wäre Herbst. Ich habe eine provokante These entwickelt, die geht so: Fernreisen sind der neue Trash, ein Urlaubsplan für die Unterschicht.

Es ist Sommerferienzeit, und dazu will ich mal was Grundsätzliches sagen, auch wenn ich persönlich ja keine Ferien habe, sondern arbeiten gehe als wäre Herbst.

Ich habe eine provokante These entwickelt, die geht so: Fernreisen sind der neue Trash, ein Urlaubsplan für die Unterschicht. Der Malediven- Stempel 2008 im Pass ist ein soziales Stigma. Beweis dafür, dass einem Klimakatastrophe und Energieknappheit und Biospritproduktion und der globale Hunger vollkommen schnurz sind, solange man Aussicht auf eine gut gebräunte Wampe hat, von der man dann aber Hautkrebs kriegt, weshalb Pharmakonzerne Forscher zu Kongressen auf der ganzen Welt fliegen lassen, was das Klima belastet und Energie verknappt, weshalb Biosprit, Hunger, Elend usw.

Der Blick aufs Reisen hat sich geändert, wie davor schon der Blick aufs Essen. Vorbei die Zeiten, als Kugelbauch, Speckhüfte und Doppelkinn Zeichen von Wohlstand und Erfolg waren. Jetzt zeugen sie vom Gegenteil. So vorbei sind auch die Zeiten, als man ungeniert sagen konnte, man fliege in den Urlaub ans Ende der Welt, was wegen der Billigflieger ja nicht mal mehr besondere finanzielle Potenz beweist. Also, ich jedenfalls halte dem Fernreisenden dann meist einen Vortrag. Über Klima, Energie, Biosprit, Elend und Radtouren ins Märkische. Auch der Tochter einer Bekannten, die von einem Austauschjahr in Australien faselte, fuhr ich über den Mund. „Fahr doch nach England!“, wies ich sie zurecht, aber da will sie nicht hin, wegen der bleichen Leute. Lieber braun werden am Ende der Welt. „Bitte sehr“, sagte ich, „ich bin ja längst tot, wenn ihr paar Restberliner hier auf dem dann weltmeerumtosten Funkturmdach hockt und nach mutierten Fischen angelt.“ Da beschwerte sie sich bei ihrer Mutter über mich. Ich dagegen ging los, ein Rad für meine Radtour kaufen, und stellte fest, dass ich mir gar keins leisten kann. Aber Ägypten wär’ drin. Ariane Bemmer

Bis der Funkturm untergeht, kann man dort noch Essen gehen, Reservierung unter Tel. 3038-2900. Vom 27. Juli bis 28. August ist wegen Wartung geschlossen

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