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Kultur: Was machen wir heute?: An Rosen riechen

Neulich war ich bei Hannah Höch zu Besuch. Nicht im Himmel, aber im Paradies.

Neulich war ich bei Hannah Höch zu Besuch. Nicht im Himmel, aber im Paradies. Denn vor mehr als 20 Jahren ist die Dada-Künstlerin ja gestorben, aber ihr Garten, der lebt heute noch, der wuchert und duftet - und nie so überwältigend wie zu dieser Jahreszeit. Denn Kurt Schwitters Geistes- und Raoul Hausmanns Lebensgefährtin, die Meisterin der Collage hat sich als Gartenkünstlerin von Augen und Nase leiten lassen: "als Ausgleich für Stunk und Stink, den uns das Tun und das Lassen der Menschen in nicht mehr erträglicher Weise liefert". Als ihre Bilder, spät, sehr spät, nach Paris und New York ins Museum reisten, da rochen sie noch immer ein bisschen nach Heiligensee.

Hier, im äußersten Nordwesten von Berlin hatte Hannah Höch 1939 vor den Nazis Zuflucht gefunden, hier hat sie bis 1978 wie Dornröschen gelebt. Von Hecken umgeben, von Rosen umarmt, von Kakteen geschützt, von Beeren genährt. Als von den Nazis verfemte, von den Wirtschaftswunderdeutschen vergessene Künstlerin konnte sie von ihren Marmeladen und Blumensträußen besser als von ihren Kunstwerken leben. In ihrem Garten hat sich die zierliche Dame mit dem stolzen Bubikopf den Glauben an den natürlichen Kreislauf von Leben und Tod erhalten, den Glauben an Schönheit und Wunder.

Ihr kleines Paradies, so hat die Künstlerin ihren Garten genannt, ihr vielleicht größtes Werk. 40 Jahre hat sie gearbeitet daran, drei Stunden am Morgen, drei Stunden am Abend, hat die Blattlaus mit Spiritus bekämpft und die Rosen beschnitten und sich die Augen ruiniert. Sie hat mit Mohn und mit Farben experimentiert, hat die Hecken wie Kinder gepflegt und die Apfelbäume beschimpft, wenn sie nicht tragen wollten. Im Dezember hat sie Vogelhäuschen gebaut und im Juni Grünkohl gepflanzt, und Kunstkritiker zum Birnenpflücken angestellt, allerdings ohne Entgelt. Und immer wieder hat sie sich hingesetzt und an den ästhetischen Genüssen von Glockenblumen und Wein berauscht, von Distel und Vergissmeinnicht.

Wie ein kleines verwunschenes Paradies wirkt der Garten heute noch, macht seiner Adresse alle Ehre: An der Wildbahn 33. "Willkommen im Urwald" empfängt Johannes Bauersachs seinen Besuch. Auch wenn der Künstler, der heute mit seiner Familie im "Haus Rosengarten" lebt, nicht mehr so viel Zeit wie Hannah Höch für die Gartenarbeit hat, auch wenn die Bäume zu groß und schattig für einige Blüten geworden sind, andere ganz eingegangen sind - selbst Mitarbeiter des Botanischen Gartens werden neidisch ob der Vielfalt und Fülle des Gartens, der inzwischen unter Denkmalschutz steht und der Stadt gehört. Allein das verwunschene Hexenhäuschen, von uralten Glyzinien umschlungen, ist die weite Reise wert. Die Pfingstrosen und der Holunder, die Wege, die Magnolien und der Quittenbaum sind alle noch original Hannah Höch. So wie die Geschichten, die Bauersachs erzählt. Wie die von dem Perlhuhn, das in Windeln durchs Haus lief. Und auch wenn die Höch und ihre "Hühnies" gestorben sind - die Rosen klettern und duften immer noch.

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