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Was machen wir heute?: An Silvester zweifeln

Wie ein Ost-Berlinerdie Stadt erleben kann

Von David Ensikat

Der Mensch hat es ja gern genau. Er freut sich etwa, wenn etwas genau 20 Jahre her ist. Bereits die Vorfreude auf das genau 20-jährige Mauerfalljubiläum ist ganz deutlich zu spüren. Etwas, das acht Jahre her ist, hat keine Chance, derart wahrgenommen zu werden. Das ist schade, weil die Angst vor dem „Jahr-2000-Problem“ und die Überwindung derselben nun acht Jahre her ist, und weil die Geschichte uns heute, in der Krise eine hübsche Lehre sein könnte: So schlimm wird’s alles immer gar nicht. Damals hieß es, die Computer verstünden wegen der vielen Nullen den Jahrtausendwechsel nicht, weshalb sie all unser Geld verschlucken sowie – ähnlich schlimm – Atomkraftwerke in die Luft sprengen würden. Dann ist das alles nicht passiert. Die Computer haben weitergerechnet und die Menschen weiterhin selbst ihre Fehler machen lassen.

Und jetzt diskutieren die Menschen, die es so gern genau haben, ob man die Zeitzählung von der Erdendrehung loslösen sollte. Unsere Atom- und Computeruhren gehen nämlich wahnsinnig genau, und die Erdrotation hält sich an diese Genauigkeit nicht. Bislang haben die Menschen demütig ihre Atom- und Computeruhren pro Jahr eine Sekunde umgestellt, immer zum Jahreswechsel, damit sie wieder mit der Erdendrehung synchron ticken, damit, wenn die Sonne im Zenit steht, es wirklich zwölf Uhr mittags ist. Mal ehrlich: Müssen wir, die wir Sonden in andere Galaxien schicken, uns wirklich von einem eiernden Planeten vorschreiben lassen, wie spät es ist? Wer seinen Computer immerzu verstellt, tut seinem Computer doch nichts Gutes.

Vor genau 1673 Jahren starb Silvester I., ein Papst, nach dem man den 31. Dezember benannte und damit unsere Jahreswechselfeiern. Dass das genau 1673 Jahre her ist, sagt man so, aber genau wissen kann man’s doch gar nicht, denn die genaue Kalenderzählung fing erst viel später an. Und ob Silvester I. tatsächlich so wichtig war, wie man damals meinte, wird inzwischen auch bezweifelt, denn er war noch nichtmal beim Konzil von Nicaea dabei. Ob wir heute also wirklich „Silvester“ feiern sollten, könnte ich so genau gar nicht sagen. David Ensikat

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