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Was machen wir heute?: Auf die rote Infotreppe steigen

Wie ein Rentnerdie Stadt erleben kann

Eigentlich seltsam: Auch noch 20 Jahre nach ihrer Niederlegung bleibt die Mauer die wichtigste Attraktion für unsere Gäste, ob sie nun als Touristen aus Barcelona oder aus Burghausen kommen. The Wall ist etwas so unglaublich Brutales und Beklopptes, dass man es gar nicht glauben will und folglich gesehen und angefasst haben muss. Aber wo? Am einfachsten, man fragt einen etwas älteren Einheimischen. „Lieber Herr Berliner, wie war eigentlich dieses Leben mit der Mauer?“ Der wird gleich lossprudeln, wie er nicht durfte, was er gern wollte, und dass er sie nur von ferne sah, weil jede Nähe schlimme Folgen haben konnte. Jeder von uns trägt doch irgendwie die Mauer für immer und ewig in seinem Kopf herum – als Betonpfeiler der Erinnerung.

„Die Mauer muss weg!“, haben wir damals erst leise gedacht und dann laut gerufen. Volkes Jubel begleitete die Jungs von den Grenztruppen, wie sie mit schwerem Gerät niederrissen, was sie einst aufgebaut und 28 Jahre lang gepflegt und perfektioniert hatten. Nie wieder Mauern! Nie wieder kalter Krieg! Und heute? Da soll ein Stückchen Mauer zum Vorzeigen wieder aufgebaut werden, aber gleichzeitig verhindert eine Kirchgemeinde an der Bernauer Straße, dass jene Mauerteile, die auf ihrem Friedhofsgelände sinnlos herumstehen, um ein paar Meter verschoben werden, um die Lücke zu schließen und zu zeigen: Seht her, so war’s.

Aber wir haben ja diese kleine rote Infotreppe am Potsdamer Platz. Im 20. Jahr des Mauerfalls steigen wir 23 Stufen hoch und blicken fast von jener Stelle gen Osten, wo zu Mauerzeiten ein West-Podest stand: Beton, Stacheldraht, Panzersperren und eine öde Leipziger Straße. Nun zeigen nur noch Fotos das Einst, der Blick zurück sagt mehr als tausend Worte: Berlin im Wandel, ringsum die neue Stadt, ohne Mauer. Die gibt es nur noch als Bröckchen im Souvenirshop, auf Postkarten. Und im Kopf derer, die in ihrem Schatten lebten. Lothar Heinke

Rote Infotreppe am Potsdamer Platz, täglich geöffnet von 10 bis 19 Uhr.

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