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Kultur: Was machen wir heute?: Beichten

Vielleicht sollte man an dieser Stelle zunächst erklären, wie sich der protestantische vom katholischen Umgang mit der Sünde unterscheidet. Also das ist so: Wir Katholiken sehen eine Sünde als eine Ausnahme an, die wir uns irgendwann eingestehen und in persönlicher (Gebet) oder vermittelter (Beichte) Zwiesprache mit Gott bereuen, um dann am Schluss die Absolution zu erhalten oder uns zumindest einbilden können, sie zu bekommen.

Vielleicht sollte man an dieser Stelle zunächst erklären, wie sich der protestantische vom katholischen Umgang mit der Sünde unterscheidet. Also das ist so: Wir Katholiken sehen eine Sünde als eine Ausnahme an, die wir uns irgendwann eingestehen und in persönlicher (Gebet) oder vermittelter (Beichte) Zwiesprache mit Gott bereuen, um dann am Schluss die Absolution zu erhalten oder uns zumindest einbilden können, sie zu bekommen. Bei den Protestanten ist das ganz anders: Die tun auch mal was Falsches, kauen dann aber so lange auf ihren Sünden rum, bis sie ihnen wie gute Taten erscheinen. Soviel vorweg, denn hier gilt es, eine Sünde zu gestehen.

Das kam so: Vor etwa einem halben Jahr hat der große Versucher eine Demo-CD-Rom bei uns in die Wohnung geschmuggelt, auf der sich einige Computerspiele befanden. Die haben meine Älteste und ich dann in einem unbeobachteten Moment ausprobiert.

Unglücklicherweise geschah genau das, was sich die Hersteller solcher kostenlosen Werbe-CD-Roms davon versprechen: Wir waren fasziniert. Besonders von einem Spiel namens Silver, obwohl der Held darin unablässig böse Ritter und kleine Gnome niedermetzeln muss, was wir beide durch hektisches Betätigen der Cursor-Tasten nach Kräften unterstützten. Aber wie das so ist bei Kostproben, gerade als es spannend wurde, war die Spielzeit vorüber. Und dann habe ich, schon leicht süchtig geworden, Franziska versprochen, ihr die richtige Silver-CD-Rom zu kaufen, wenn sie in der Schule besser werden würde.

Nun, ein halbes Jahr später, als ich die Angelegenheit schon fast vergessen hatte, trat das Unerwartete ein, und die Tochter wurde wirklich besser. Selbstverständlich hatte sie mein Versprechen keineswegs vergessen. Also bin ich in die Stadt gefahren, um dieses gewalttätige, in jeder Weise schädliche Spiel zu kaufen. Uns siehe da: Es war nicht mehr zu bekommen. Genauer gesagt schauten mich die Verkäufer in den 27 Geschäften immer ziemlich mitleidig an, wenn sie den Namen Silver hörten. "Veraltet" urteilten sie verächtlich. Anfangs leistete ich noch Widerstand und warf ein, dass die Probe-CD-Rom erst vor einem halben Jahr auf den Markt gekommen sei. Höhnisches Lächeln auf der anderen Seite: "Ja eben, ein halbes Jahr, das interessiert doch heute keinen mehr." Aha, und ich dachte immer, Tageszeitungsjournalisten seien schnelllebig. Irgendwann erbarmte sich dann ein Verkäufer und zeigte mir eine Spielsammlung. In denen werden die "alten" Spiele verramscht: 15 Spiele zum Preis von einem.

Nun hat Franziska also ihr Silver. Und auf dem Schlafzimmerschrank liegen weitere 14, noch viel blutrünstigere, abendlandgefährdendere (und womöglich noch faszinierendere) Spiele. Das also ist das Ergebnis meiner unbedachten Versprechung: Die Tochter spielt am Computer im Arbeitszimmer, und im Elternschlafzimmer hockt auf dem Schrank die Sünde. Aber jetzt ist es ja gebeichtet, öffentlich. Da wird die Absolution nicht mehr lange auf sich warten lassen.

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