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Was machen wir heute?: Berlin schön finden

Wie eine West-Berlinerin die Stadt erleben kann

Ich bin ein Schmuddelkind, bin es immer gewesen, werde es immer sein. So ist das, wenn man im Ruhrgebiet groß wird, zu einer Zeit, da die Wäsche noch schwarz wurde, wenn man sie zum Trocknen in den Garten hing. Wir haben früh gelernt, Schönheit dort zu entdecken, wo andere nur Hässliches sehen. Mit ein paar Jahrzehnten Verspätung sind dann auch sie darauf gekommen, dass Zechen und Industriehütten und Birken zwischen stillgelegten Gleisen einen ganz eigenwilligen Zauber haben.

Ich mag es nicht, wenn eine Stadt zu aufgeräumt ist. Deswegen fühle ich mich in Berlin auch so wohl wie in Hamburg unwohl. Und darum liebe ich den Tiergarten: weil dort nicht alles gleich mit dem Rasenmäher plattgemacht wird, es auch ein bisschen wuchern darf und die Gänseblümchen sprießen. Nur die Bepflanzung der Luiseninsel ist mir zu spießig und wird auch noch dauernd wieder rausgerupft, um durch neue Blümchen in akkuraten Beeten ersetzt zu werden.

Dabei sind das doch gerade die schönsten Ecken Berlins: die, die nicht künstlich aufgehübscht sind. Wo die Zeit sich entfalten kann. Der Ansicht scheint auch Markus C. Hurek zu sein. Der gebürtige Berliner hat ein wunderbares Bilderbüchlein vorgelegt, das ich beim Blättern im Bücherbogen am Savignyplatz entdeckt habe, einer Buchhandlung, die der perfekte Bücherblätterort ist (braucht man ja auch Zeit für). Mit einem mir sehr verwandten Sinn für Schönheit hat der Fotograf, der gar keiner ist (er ist stellvertretender Chefredakteur bei „Cicero“), Aufnahmen von Teddybären im Blätterwald gemacht, von Hochhäusern und Gartenschläuchen. Er hält den Charme von Rollläden und Topfpflanzen und Schriftzügen fest, immer mit einem ausgeprägten Sinn für Witz und Ironie, bei der Motivsuche ebenso wie beim Layout. Zutiefst romantisch sind die Bilder natürlich auch. Man muss übrigens kein Deutsch verstehen, um sie lesen zu können. Mit anderen Worten: ein ideales Mitbringsel für Auslandsbesuche. Susanne Kippenberger

Markus C. Hurek, Backstage Berlin, PrestelVerlag, 14,95 Euro.

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