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Was machen wir heute?: Bolero zum Lunch lauschen

Eine halbe Stunde vor dem ersten Takt zieht der Duft von Gulaschsuppe durch die heil’ge Halle. „Chili con Carne!

Eine halbe Stunde vor dem ersten Takt zieht der Duft von Gulaschsuppe durch die heil’ge Halle. „Chili con Carne!“ belehrt mich die junge Frau und fuchtelt mit dem Löffel, „möchten Sie mal?“ Alle lachen. Sie sitzen auf den blanken rohen Steinen im Foyer der Philharmonie, lehnen an der Wand oder hocken auf ihren Rucksäcken. Auch die Treppen sind ausgebucht, bis zum Rang, die Empore hört am besten. Wer keinen Stuhl erwischt hat, der steht wacker und hält sich an seinem Weinglas fest. Wer das Spielchen kennt, kam eh schon mit dem eigenen Klappsitz.

Dienstag um eins ist Lunchkonzertzeit. Zwanglos strömen die Musikversessenen von der Straße herein, manche mit Hut oder Basecap, ohne feierlichen Konzertaufzug, immer gewiss, dass ihnen hier kein „Ausverkauft“ (wie bei fast allen Konzerten der Philharmoniker) entgegengrinst. Bei der Lunchmusik muss man nur Chili, Räucherlachs, Salat, Pasta, Schweinefilet oder Kaiserschmarrn bezahlen, ansonsten ist der Eintritt zu den Darbietungen mit Messer und Stimmgabel frei. Ob sie deshalb kommen, die Leute? Weil’s nischt kostet? Oder weil es allein schon ein Genuss ist, hier ein paar Abgesandte der musikalischen High Society zu hören? Am letzten Dienstag stürmte das „Ensemble Bolero Berlin“ mit Musik aus Südamerika aufs Podium: exzellent, diese sechs Mann. Man spürt und hört: Nichts anderes kommt hier ins Haus als Metropolen-Qualität. Und Klasse, auch ohne Kasse.

Die Zuhörer – vom Baby auf Mutters Arm bis zum Opa – hören plötzlich auf zu schnattern, wenn das 50-Minuten-Konzert beginnt. Dann ist es still, als stehe Sir Simon Rattle höchstselbst am Pult und dirigiere. Jetzt spricht die Musik. Einer sieht den anderen lächeln, Töne zaubern und verzaubern. 2000 Musikfreunde werden zur Gemeinschaft. In einer Stunde gehen sie zurück an ihr Tagwerk oder ins Hotel. Und zu Hause werden sie dann erzählen, dass es Lunch gab, Bolero und die Philharmonie. Lothar Heinke

Nächsten Dienstag, 13 Uhr: Beethoven und Brahms, Violine, Cello und Klavier.

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