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Was machen wir heute?: Das soziale Klima erwärmen

Wie ein Vaterdie Stadt erleben kann

Die Adventszeit ist die Zeit der Charity Ladies. Vor dem Fest der Liebe schwärmen sie aus, massenhaft großherzige Damen, fest entschlossen, das soziale Klima zu erwärmen – und dabei stets darauf bedacht, eine gewisse Distanz zu den Armen dieser Welt zu wahren. Sonst kann es schnell peinlich werden, wie letzte Woche bei unserem Kreuzberger Lieblingsitaliener.

Wir saßen dort in trauter Familienrunde beisammen, als ein junger Mann an den Tisch trat und um eine milde Gabe bat. Er kam von der Neuköllner Rütli-Oberschule und bot Kerzenhalter für Teelichter zum Kauf an, die seine Mitschüler weihnachtlich bemalt hatten. Mit dem Erlös wolle man bedürftigen Schulkameraden die Teilnahme an einer Klassenfahrt ermöglichen, erzählte er. Meine Frau war ganz angetan. „Bist du vom Abi-Komitee?“, fragte sie den Jungen. „Nein, bei uns gibt es kein Abitur“, belehrte sie der Schüler, „wir sind eine Hauptschule.“ Ich zog mein Portemonnaie, um die Situation zu retten.

Wir Kreuzberger sind ja sehr sozial eingestellt. Das liegt wohl daran, dass hier so viele Benachteiligte und Gutmenschen zusammenleben. Patriotisch behinderte Alt-68er jenseits der Pensionsgrenze (eine schwer benachteiligte Gruppe in unserem Land) wählen wir zum Beispiel direkt in den Bundestag.

In besseren Gegenden Berlins ist man dagegen auf den Export von Wohltaten angewiesen. Die Frau eines befreundeten Anwalts aus Steglitz engagiert sich für ein soziales Netzwerk im Internet. Sie hat meine Frau zu einem Adventsbasar mit gleichgesinnten Damen eingeladen. Dort wurden zum Beispiel für Entwicklungsprojekte in der Dritten Welt Schals und Stulpen verkauft, deren Strickmuster aus den Tonfrequenzen des Songs „Heal the World“ von Michael Jackson errechnet wurden . Irre, oder?

Leider hatte meine Frau keine Zeit, weil sie berufstätig ist. Ich darf gar nicht daran denken, wie viel Gutes meine Frau tun könnte – wenn nur ich ihr karrieremäßig etwas mehr bieten könnte. Stephan Wiehler

Gutes tun im Internet:

www.betterplace.org

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