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Was machen wir heute?: Den alten Westen erkunden

Wie ein West-Berliner die Stadt erleben kann

Sicher, West-Berlin holt imagemäßig auf, rappelt sich, aber vor paar Tagen regte ich mich wieder auf. Da hatte so ein Schnösel im Fernsehen vom „alten West-Berlin“ gesprochen. Mit jenem mitleidigen Unterton, mit jener versteckten Häme, die mich immer wieder in Rage bringt. Warum spricht eigentlich kaum jemand herablassend über das „alte Ost-Berlin“? Na, Schwamm drüber, ich habe mich als toleranter West-Berliner schnell wieder abgeregt und mir mal die Zeit genommen, dem wirklich alten West-Berlin wieder auf die Spur zu kommen. Auf nach Charlottenburg, Schlossstrasse, Klausenerplatz und Umgebung, zu der das alte Bürgerhaus und Baudenkmal Schustehrusstraße 13 aus der Charlottenburger Stadtgründungsphase gehört. Ich war lange nicht mehr da und staune, wie eng und kleinstädtisch es hier ist, wie romantisch und anheimelnd. Viel stimmungsvoller als in Prenzlauer Berg. Mich begeistern die historischen Laternen, die niedrigen Häuser, das Glockengeläut, die Ruhe, die Straßen, die fast Gassen sind und in denen Autos nur Schritttempo fahren können. Die kleinen Läden, Werkstätten, Geschäfte. Da gibt es „Reitstiefel aus Berlin“ und ich klebe wie ein Magnet am Schaufenster, obwohl ich mit Reiten nichts am Hut habe.

In einer Straße stoße ich auf einen Laden, der leider dichtgemacht hat, sehe aber noch beglückt das uralte Drogeriezeichen und das verblichene Schild „Fachgeschäft für Gesundheit, Schönheit, Freizeit“. An einer anderen Ladentür prangt noch das alte schwarze Firmenzeichen der einstigen Lebensmittelläden der „Gebr. Manns“, ein Fassadenschriftzug erinnert an die Engelhardt-Brauerei. Gut 15 000 Menschen wohnen hier, 1973 wurde eine der ersten Berliner Mieterinitiativen gegründet, behutsame Stadterneuerung praktiziert. Alles „altes West-Berlin“, und auch ein Grund, etwas stolz zu sein, nicht hämisch und herablassend. Christian van Lessen

Im Heimatmuseum Schlossstraße 69 ist nur noch bis morgen, 4. November, die Sonderausstellung „30 Jahre ICC“ zu sehen. Auch ein Stück „altes West-Berlin“.

Christian van Lessen

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