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Was machen wir heute?: Den lieben Gott suchen

Wie eine Mutterdie Stadt erleben kann

Timmy und Lucas besuchen den evangelischen Religionsunterricht, weil die Lehrerin einen guten Ruf hat und weil die zwei dort Dinge erfahren, die wir ihnen nicht vermitteln können. Wir Alten sind nämlich areligiös bis auf die Knochen. Das sei aber kein Problem, hat Frau R. gesagt, unsere Kinder sollten trotzdem kommen.

Vor allem Lucas liebt den Religionsunterricht, die Geschichten, die Bilder, die Lieder. Er kommt jetzt oft mit neuen Weisheiten nach Hause. „Den lieben Gott, den gibt es wirklich!“, verkündete er kürzlich. „Das wissen aber nur die Religionslehrerinnen. Es ist ihr Geheimnis!“ „Schön!“, sagte ich ganz neutral. „Und wie stellst du ihn dir vor?“ „Er hat einen langen weißen Bart und lila-schwarze Klamotten.“ Und wo sitzt er? „Der kann sich in kleine Teile teilen, er sitzt überall, auf den Tischen, in Afrika, auch im Kühlschrank.“

All das fand ich pittoresk, bis zum Tag, als Lucas mit einem Brief von „Pro Reli“ nach Hause kam. Er hielt mir das Papier unter die Nase und sagte: „Frau R. hat gesagt, das müsst ihr unterschreiben, ich muss das morgen wieder mitbringen.“ „Ha!“, rief ich, säkular erregt, „in diesem Lande entscheide immer noch ich, was ich unterschreibe!“ Lucas war enttäuscht. Ich aber fragte mich, ob es der liebe Gott im Kühlschrank gut findet, dass Religionslehrerinnen Erstklässler unter Druck setzen.

„Ach, der Jesus, das war ein wirklich heiliger Mann“, sagte Lucas am nächsten Tag inbrünstig. „Hm“, machte ich neutral. „Aber“, grübelte Lucas, „wodran ist der heilig?“ „Wie meinst du das, wodran? Am Zeh?“ Schulterzucken. Ich fragte weiter: „Was bedeutet denn das: heilig?“ „Weiß ich nicht.“ „Und was hat euch Frau R. dazu gesagt?“ „Sie weiß es auch nicht.“ Na gut, dachte ich. In dem Punkt immerhin sind wir uns alle einig. Dorothee Nolte

Wer sich aus säkularer Neugierde mit einer fremden Religion befassen möchte, der findet in „Der Koran für Kinder und Erwachsene“ (C.H. Beck Verlag ) einen guten Einstieg. Eine erhebendere Lektüre ist für Areligiöse allerdings die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“, die ihren 60. Geburtstag feiert. Sie sollte Weihnachten in jeder Familie vorgelesen werden.

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