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Kultur: Was machen wir heute?: Die Freiheit genießen

Es gibt etwas zu berichten über den Zusammenhang von Freiheit und Kultur. Das kam so.

Es gibt etwas zu berichten über den Zusammenhang von Freiheit und Kultur. Das kam so. "Wir sind jetzt eine Familie ohne Windeln", verkündete Fritz am vergangenen Mittwoch beim Frühstück, als seine kleine Schwester zum dritten Mal hintereinander eine windellose und trockene Nacht verbracht hatte. Da hat er ein großes Wort gelassen ausgesprochen. Meine Frau und ich blickten uns an, voller Stolz und ziemlich müde. Denn es ist ja wahr: Selbst wenn Fritzens historischer Ausspruch - man weiß nie - um ein paar Wochen zu früh gekommen sein sollte: Im Prinzip haben wir es geschafft.

Drei Kinder, die jeweils knapp drei Jahre Windeln trugen, die im Durchschnitt fünfmal am Tag gewechselt wurden, das macht poporund gerechnet: 14 400 Windeln, 14 400 Mal wickeln. Daran waren beteiligt, in dieser Rangfolge: die Mutter, der Vater, unser Hausmann, Tagesmütter, Kindergärtnerinnen, Freunde, Omas und Opas. Opas? Nein, die nicht. Auf meine Frau kommen also schätzungsweise 8000 Windeleinsätze, auf den Vater 4000. Was sind wir froh, uns gegen Stoffwindeln entschieden zu haben.

Nun denken wir über eine Belohnung nach. Für uns natürlich. Die Kinder sind schon damit belohnt, dass die jetzt alle trocken sind und endlich Schwimmen lernen können. Aber die größte Belohnung besteht wohl in den wunderbaren Aussichten, die sich aus der neu gewonnenen Windelfreiheit ergeben. Beispielsweise können wir jetzt spontan mal was unternehmen, ohne immer daran denken zu müssen, Windeln, einen zweiten Satz Kleider, Öltücher und eine Plastiktüte für die gebrauchten Windeln mitnehmen zu müssen. Was für eine Freiheit. Hoffentlich können wir damit noch was anfangen, nach all den Jahren.

Als erstes nutzten wir die Freiheit für mehr Kultur: Wir sind ganz spontan in die Gemäldegalerie gegangen. Dort gibt es Kinderführungen, bei denen die Kleinen wirklich etwas lernen (und die Erwachsenen heimlich auch). Allerdings hat sich der Vater immer wieder in den Raum verdrückt, in dem der geliehene Caravaggio hängt: Judith köpft Holofernes. Ein wirklich blutrünstiges Bild. Aber das Schockierendste daran ist nicht der blutende Hals des böse trunkenen Helden, sondern Judiths kühler Blick. Sie schaut wie eine Köchin, die das Huhn zerteilt, sachlich, fachmännisch, ungerührt.

Währenddessen beschäftigen sich die Kinder unter Anleitung einer Kunstpädagogin mit einem eher harmlosen dicken Mann, der nach niederländischer Malerei aussieht. Als dann die Kleinen doch mal in meinen Blutraum kommen und die Judith sehen, drehen sie sich einfach weg. Instinkt nehme ich an.

Am Schluss dürfen die Kinder selbst etwas malen, wovon eines der Kinder so begeistert ist (Name ist der Redaktion bekannt), dass es ein wenig in die Hose macht. Der Weg in die Freiheit ist weit. Und, ehrlich gesagt, so ganz frei will man von diesen Kindern auch nicht werden.

Als nächstes müssen sie Radfahren lernen. Brandenburg wir kommen.

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