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Was machen wir heute?: Die Schule tapfer schwänzen

Je mehr hüftsteife Filme, die angeblich in der DDR spielen, fürs Fernsehen produziert werden, desto subtiler erscheinen einem die DEFA-Filme, in die man vor der Wende nie freiwillig gegangen wäre. Wenn man sich die Ideologie wegdenkt, enthalten sie immer noch mehr Wahrheit als heutige Produktionen, schon weil die Ausstattung echt ist.

Je mehr hüftsteife Filme, die angeblich in der DDR spielen, fürs Fernsehen produziert werden, desto subtiler erscheinen einem die DEFA-Filme, in die man vor der Wende nie freiwillig gegangen wäre. Wenn man sich die Ideologie wegdenkt, enthalten sie immer noch mehr Wahrheit als heutige Produktionen, schon weil die Ausstattung echt ist. Neue Filme leiden natürlich darunter, dass man sie viel zu klar sieht, man muss sie erst ein bisschen vergessen, damit sie wirken können, die schönsten Erinnerungen sind doch die Verschwommenen.

Anders ist es nicht zu erklären, dass ich mich so gerne an diese Filme aus Ungarn, Rumänien oder der Sowjetunion erinnere, in denen Pioniere ihre Konflikte selbstständig lösten, unterstützt von einem netten Polizisten oder einem gütigen Elternteil. In der Zeit, als für Kinder noch selten mehr als eine Sendung am Tag kam, habe ich im Ferienprogramm auch „Der tapfere Schulschwänzer“ gesehen. Ich erinnere mich kaum, aber es fühlt sich gut an, es zu versuchen. Ein Junge, der die Schule schwänzt und an einem sonnigen Tag durch Berlin stromert, bis er Rauch in einem Fenster entdeckt und die Feuerwehr ruft. Leider muss herauskommen, dass er nur zum Retter werden konnte, weil er die Schule geschwänzt hat. Ein typischer Konflikt für einen DDR-Kinderfilm, aber eigentlich klassisches Drama: Darf der Held die Regeln der Gemeinschaft übertreten? Soll er für die Tat gerühmt oder geschmäht werden? Klingt nach Kleists „Prinz Friedrich von Homburg“, oder Heiner Müllers „Horatier und Kuratier“.

Ich wusste nicht, dass der „Schulschwänzer“ eine frühe Arbeit vom Kinder-von-Golzow-Regisseur Winfried Junge ist. Den Film kann ich wiedersehen, aber wie viel würde ich darum geben, wenn ich auch noch einmal im Leben die Schule schwänzen und durch das alte Berlin stromern könnte, das habe ich nämlich nie getan. Jochen Schmidt

Sonntag, 19. Oktober, 15 Uhr, Babylon-Mitte „Der tapfere Schulschwänzer“, ab sechs Jahre. Sonderaufführung zum Tag der Feuerwehr.

Jochen Schmidt

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