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Was machen wir heute?: Die Welt vernettern

Es hat ungefähr 30 Minuten gedauert, und schwupp, schon war ich Elternvertreterin. Die 29 Minuten zuvor hatte die Klassenlehrerin der 1a mit guten Worten und nahezu flehentlich versucht, irgendein Elternteil zur Kandidatur zu bewegen.

Es hat ungefähr 30 Minuten gedauert, und schwupp, schon war ich Elternvertreterin. Die 29 Minuten zuvor hatte die Klassenlehrerin der 1a mit guten Worten und nahezu flehentlich versucht, irgendein Elternteil zur Kandidatur zu bewegen. Sie war kurz davor, streng mit uns zu werden, da hob sich meine Hand wie von selbst und ich hörte eine fremde Stimme sagen: „Okay, ich mach's.“ Zur Begründung meiner Kandidatur brauchte ich nur zu sagen, dass ich die Mama von Jan Lucas sei, was ja die reine Wahrheit ist, denn leere Wahlkampfversprechen gibt es bei mir nicht. Ich wurde mit dem überwältigenden Ergebnis von 100 Prozent (keine Gegenstimme, keine Enthaltung) gewählt. Derselbe Triumph widerfuhr der Mutter von Tuana-Aysem, die sich kurz nach mir bereit erklärte.

„Das kannst du doch gar nicht“, sagte Timmy, als ich stolz von meiner neuen Aufgabe berichtete. „Du bist zu – kindisch!“ Er hält Elternvertretung für eine genuin männliche Aufgabe, denn in seiner Klasse haben nur Männer dieses Amt ausgeübt. In mir wurden alte feministische Instinkte wach. Wenn Angela Merkel dieses Land führen kann, rief ich, dann bin ich in der Lage, Elternvertreterin der Klasse 1a zu sein! Genau wie die Kanzlerin sähe ich meine Aufgabe vor allem darin, ein Klima des Vertrauens zu schaffen und Transparenz zu erhöhen. Timmy blieb skeptisch.

Meine erste Bewährungsprobe bestand darin sicherzustellen, dass am Welternährungstag jedes Kind ein unterschiedliches Gemüse mitbrachte. Das ist mir leidlich gelungen. Aber der Ernstfall, sozusagen die Finanzkrise der Elternvertretung, steht noch bevor: die Vorbereitung des Winterbasars. Zur Einstimmung hat unsere Gesamtelternvertreterin ein Gedicht von Wilhelm Busch rumgemailt: „Willst Du froh und glücklich leben, lass kein Ehrenamt Dir geben! Willst du nicht zu früh ins Grab, lehne jedes Amt gleich ab!“ Aber ich bin voller Idealismus. Ich will die Welt vernettern, um es in Lucas' Worten zu sagen („Keyvan hat sich vernettert“). Die Klasse 1a ist Deutschland. Packen wir's an. Dorothee Nolte

Einen Leitfaden für Elternvertreter und Infos für Eltern: www.landeselternausschuss.de

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