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Was machen wir heute?: Fußball hören

Was, zum Kuckuck, ist bloß so schön daran? Vier Wochen lang nichts anderes als Fußball, nichts als Ausnahmezustand.

Was, zum Kuckuck, ist bloß so schön daran? Vier Wochen lang nichts anderes als Fußball, nichts als Ausnahmezustand. Der Ball ist rund, na und? Fußball ist nicht meine Welt, ich verstehe nichts von der WM und werde nie begreifen, warum so viele stolze Fans unentwegt mit schwarz- rot-goldenen Fähnchen durch die Gegend fahren.

Dieser Tage hupte jemand ganz gemein hinter mir, weil ich ihm wohl zu langsam war. Dann gab er kräftig Gas, überholte mich und brauste davon, obwohl es eine Tempo-30-Straße war. Während ich dem Auto mit den aufgepflanzten beiden Fahnen nachsah, musste ich unwillkürlich an diesen gehörnten germanischen Kopfputz denken.

Natürlich bin ich im Bilde über den Verlauf der WM, im Wesentlichen. Man merkt es ja, wo man geht und steht. Dafür sorgen die Fans, vorausgesetzt, es ist ein Tor unserer Nationalelf. Dann hupen die Autofahrer wie verrückt, und aus der Nachbarschaft sind Lustschreie zu hören. Neulich saß ich mit Freunden im Restaurant, als uns plötzlich Knatterlaute wie Donnerschläge von der Fernsehecke her erschreckten, so dass uns beinahe das Besteck aus der Hand gefallen wäre. Aha, ein Tor, 1:0 für Deutschland gegen Ghana. Wir empfanden es direkt als wohltuend, dass kein zweites mehr fiel.

Letzten Sonntag verkündete der Nachbar feierlich: „Heute geht es um die Nation!“ Na schön, unkte ich, da werde England wohl Deutschland besiegen. Er lächelte nachsichtig: „Nee, umgekehrt!“ Auch gut, sagte ich, dann könne er jubeln, es sei ihm gegönnt, nur möge er damit den Kuckuck nicht verscheuchen, der uns seit Tagen mit seinen Rufen aus dem Wald nebenan so bezaubert.

Also das erste Tor bekam ich in einer stillen, feinen Straße mit; aus allen Fenstern hörte man für einen Moment frenetisches Geschrei. Ein Mann trat sogar vor seine Haustür und blies in die Tröte. So ging es unterwegs weiter. Hup- und Trötenkonzerte kündeten vom Spielstand, bis in den Grunewald hinein. Unserem Kuckuck wurde das womöglich zu bunt, jedenfalls ruft er nicht mehr, wirklich schade. Brigitte Grunert

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