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Kultur: Was machen wir heute?: Geschäftchen machen

In den USA gab es vor einiger Zeit einen Versuch, minderjährige Mädchen vor einer ungewollten Schwangerschaft zu schützen. Die Teenies bekamen für eine Woche eine lebensgroße Puppe in den Arm gedrückt, die sie pflegen sollten wie einen Säugling.

In den USA gab es vor einiger Zeit einen Versuch, minderjährige Mädchen vor einer ungewollten Schwangerschaft zu schützen. Die Teenies bekamen für eine Woche eine lebensgroße Puppe in den Arm gedrückt, die sie pflegen sollten wie einen Säugling. Die Puppe konnte glucksen, lächeln, schlafen. Vor allem aber schrie sie, spuckte, nässte, zappelte und machte andere grässliche Sachen, wenn sie nicht angemessen versorgt wurde. Sogar nachts machte sie sich lautstark bemerkbar. Die Puppenmütter, die ein Fernsehbericht damals zeigte, waren bereits nach wenigen Tagen mit ihren Nerven am Ende und starrten nur noch mit schreckgeweiteten Augen auf ihren unruhigen Zögling. Die Erfahrung mit dem Plastikbaby sollte die Mädchen so abschrecken, dass sie künftig ordentlich auf Verhütung achten. Ob das Projekt sein Ziel erreichte, blieb leider offen.

Ein ähnliches Puppenexemplar haben wir seit kurzem auch im Haus. Zugegebenermaßen ist es nicht ganz so ausgeklügelt und auch nicht ganz so nervend, aber immerhin mit angeblich "sieben lebensechten Funktionen" ausgestattet. Es handelt sich um "Baby Born", die Lieblingspuppe aller kleinen Mädchen und also auch meiner Tochter Charlotte. "Baby Born" kann ganz viel: lachen, weinen, essen, trinken, Pipi machen. All das macht es nur, wenn es entsprechend behandelt wird. Es lacht nur, wenn man seinen linken Arm drückt. Zum Weinen reicht das Drücken des rechten Arms allerdings nicht, da muss "Baby Born" vorher eineinhalb Fläschchen Wasser - mindestens - getrunken haben. Trinken kann es jedoch nur, wenn es senkrecht gehalten wird. Sonst läuft alles sofort unten wieder raus. Beim Füttern mit dem speziellen Puppenbrei hingegen will "Baby Born" lieber liegen.

"Geschäftchen machen", wie der Prospekt das nennt, ist ziemlich kompliziert: Da muss die Puppe mit angewinkelten Beinen fest auf den Topf gepresst werden. Denn: "Der seitliche Druck bewirkt das Öffnen des eingebauten Ventils für den Breivorratsbehälter." Charlotte schafft das kaum, da muss ich helfen. Entleeren wir die Puppe nicht vollständig, wird es eklig. Dann fängt es in ihrem Innenleben an zu schimmeln. Ist alles schon vorgekommen; Breireste im Plastikbauch machen sich eben nicht gut. Also muss man der Puppe reichlich Wasser einflößen, sie kräftig schütteln und dann wieder aufs Töpfchen drücken, bis alle Essensreste rausgelaufen sind. Diese "für den Umgang mit Babys und Kleinkindern untypischen Handgriffe" traut der Hersteller einem Kind - zu Recht - nicht zu. Und empfiehlt, den Puppenmuttis zu erklären, dass "Baby Born" doch anders als ein echtes Baby zu behandeln ist.

Übrigens, "Baby Born" hat meine Tochter noch nicht von ihrem Wunsch abgebracht, später einmal fünf Kinder haben zu wollen. Sie kann ja auf meine Fähigkeiten zählen: Wer eine gute Puppenoma ist, taugt dazu bestimmt auch im richtigen Leben - selbst wenn die Handgriffe ein bisschen anders sind.

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