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Was machen wir heute?: Glaubensfragen stellen

Ausgerechnet am Nikolaustag sitze ich in einer reichlich gottlosen Runde von Sachbuchautoren und Wissenschaftsjournalistinnen. Die Herren und Damen lauschen dem Vortrag eines Briten, der gerade ein Buch über Unsterblichkeit verfasst.

Ausgerechnet am Nikolaustag sitze ich in einer reichlich gottlosen Runde von Sachbuchautoren und Wissenschaftsjournalistinnen. Die Herren und Damen lauschen dem Vortrag eines Briten, der gerade ein Buch über Unsterblichkeit verfasst. In Kapitel 7 geht es um die Seele, und der Brite kommt nach einigen notwendigen aber kaum hinreichenden Ausflügen in die Religions-, Philosophie- und Wissenschaftsgeschichte zu dem Schluss: eine immaterielle Seele, als die unsere Persönlichkeit den physischen Tod überdauert, kann es, logisch betrachtet, gar nicht geben. Meine zaghaften Einwände („Logik wird überschätzt.“ „Unser Gehirn ist wie eine Nuss, die versucht, sich selbst zu knacken.“) erzeugen Schulterzucken. In einer Schlussrunde äußern alle außer mir, dass sie Materialisten und Naturalisten sind. Letztlich sei ohnehin alles Materie. Man könne zwar die subjektiven Wahrnehmungen nicht biochemisch reproduzieren, aber wer wisse, was da die Zukunft noch bringe.

Ich lange ins Gebäck und frage mich: Bin ich naiv, oder sind die’s? Müsste man nicht Persönlichkeit und personale Identität unterscheiden? Muss eine Seele immateriell sein? Werden nicht Kategorien verwischt, wenn das Qualia-Argument aus dem alten Leib- Seele-Diskurs mit Verweis auf künftige wissenschaftliche Erfolge entschärft werden soll?

Was ich mich frage: Brauchen wir Gott und eine unsterbliche Seele für eine allgemeine Moral? Was bedeuten „Gerechtigkeit“ und „Liebe“ ohne metaphysischen Überbau? Und was ist mit sogenannten Parallelgesellschaften: unseren islamischen oder buddhistischen Brüdern und Schwestern, über deren Glauben viel geredet und wenig gewusst wird? Und wie können wir gläubig oder ungläubig Glaubenden zusammen- oder nebeneinander leben? Ich weiß zu wenig, um mitzuhalten. Was ich aber weiß: Im sogenannten christlichen Abendland existiert eine Parallelgesellschaft, die äußerst schmackhafte Kekse backen kann. Anselm Neft

Ich geb dir gleich heilig! Ein Stück Theater über Gott und die Wäsche. Do–Sa, 20 Uhr, Pier 9, Hasenheide 9; Telefon: 56 82 13 33

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