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Was machen wir heute?: Hasta la vista sagen

Wie ein Vater die Stadt erleben kann

Der große meiner drei Jungs will für ein Jahr ins Ausland. Gute Idee, habe ich gesagt und als mögliches Ziel Argentinien angeregt (nicht ganz uneigennützig, denn einer muss ihn ja hinbringen und wieder abholen, zur Not würde ich mich opfern). Kommt überhaupt nicht infrage, hat die Frau geantwortet, Argentinien sei viel zu weit weg, überhaupt: Müsse es denn gleich ein ganzes Jahr sein? Ginge es nach ihr, würde unser Sohn wahrscheinlich für ein verlängertes Wochenende nach Potsdam fahren.

Wir einigen uns auf Spanien. Ist nicht ganz so weit weg und man spricht kein Englisch, das ist nämlich nicht gerade das beste Fach des zukünftigen Austauschschülers. Sofort durchforstet er das Internet, jeden Tag liegt ein neuer Katalog im Briefkasten. Drei Anbieter kommen in die engere Wahl, wir müssen meterweise Formulare ausfüllen, fast alle auf Englisch, kein einziges auf Spanisch.

Das erste Bewerbungsgespräch findet bei uns zu Haus statt, der Anbieter kann schließlich nicht in jeder Kleinstadt ein Büro unterhalten. Der Große ist ein bisschen nervös, denn das Interview mit ihm soll, aus welchen Gründen auch immer, auf Englisch geführt werden. Es erscheint eine Studentin, sie preist das Leben im Ausland, unterhält sich dann ein paar Minuten unter vier Augen mit dem Großen und befindet ihn für perfekt geeignet, nächste Woche komme der Vertrag.

Die zweite Organisation empfängt uns in einem Altbau am Kurfürstendamm. Diesmal dauert das Interview eine Stunde, und der Große wird so überschwänglich gelobt, dass er mich fragt, ob ich nicht einen DVD-Mitschnitt für seine Englischlehrerin organisieren könne. Mitte November sind wir beim dritten Anbieter geladen, es steht ein Wochenendseminar mit Übernachtung in einem Schloss an. Umgangssprache ist selbstverständlich Englisch, und am Ende wird sich der Junge wahrscheinlich für eine Professur in Yale bewerben. Sven Goldmann

Ein Auslandsjahr lässt sich am besten in der elften Klasse einschieben. Um der verkürzten Schulzeit zum Abitur gerecht zu werden, bieten viele Organisationen auch ein halbes Jahr an.

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