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Kultur: Was machen wir heute?: Heimkehrer feiern

Es gibt momentan nur wenige Themen, die die jugendliche Volksseele so sehr bewegen wie der Wahlkampf, der gerade tobt. Die Farbenlehre der Parteien vermischen sich im Kopf zu so etwas wie einem Tuschkastenklumpen.

Es gibt momentan nur wenige Themen, die die jugendliche Volksseele so sehr bewegen wie der Wahlkampf, der gerade tobt. Die Farbenlehre der Parteien vermischen sich im Kopf zu so etwas wie einem Tuschkastenklumpen. Die einzige Entlastung, die sich dabei bietet, ist die Offenbarung, persönlich ganz in Ordnung zu sein. Partygespräche, die harmlos beginnen (von wegen, was man so tut oder früher mal verbrochen hat) enden unweigerlich mit dem Satz "... ist auch gut so!" Einer schief angesehenen Minderheit anzugehören, ist hip geworden. Ob Schulabbrecher, Hausbesetzer oder Glücksspielopfer - längst kombinieren sich selbst Bekenntnisse zu heftigen Krawalleinsätzen aus Antifa-Tagen mit dem populären Halbsatz zu einem anerkannten Statement. Das hätte Joschka mal Anfang des Jahres wissen sollen.

Gut, es gibt noch ein weiteres Thema in der Berliner Gesellschaft: Die Schließung der Clubs. Praktisch jeder trägt Trauer und ist ständig auf dem Weg zu irgendeiner Abschiedsparty. Ob Pfefferberg, WMF und nun auch noch die Maria, alles geht dem Ende entgegen, und das finden nur die wenigsten "gut so". Natürlich sind wir in dieser Hinsicht leidgeprüft. Kaum hat man irgendwo sein Lieblingsplätzchen gefunden, sei es Partyort, Bar oder Restaurant, macht der Besitzer schon wieder dicht.

Aber hat der Berliner nicht auch ein Recht auf feste Konstanten im Leben? Man wird ja auch älter, wie soll man da ständig den Überblick behalten, wohin jetzt wieder alle umgezogen sind. Oder - noch bitterer - für immer geschlossen haben. Die Wehmut nimmt man so hin. Vergänglichkeit ist ein Teil der Schönheit, Hauptsache wir waren dabei.

Aber was wäre ein Trend ohne Gegenbewegung? Wie sehr freut sich der Anwohner, wenn unerwartet eine ihm lieb gewesene aber abhanden gekommene Bar wieder göffnet hat. "Franz ist wieder da!" verkünden riesige Buchstaben im Schaufenster des "Offers", einer kleinen Bar in der Alten Schönhauser in Mitte. Vor einem Jahr hatte der Besitzer die Koffer gepackt und seinen Laden an zwei schlecht wirtschaftende Haudegen verpachtet. Das hat er natürlich vorher nicht geahnt. Erst als der ruinöse Ruf des ehemals so geliebten Lokals bis in seine schwäbische Kleinstadt drang, musste irgendwas geschehen. Franz kam zurück und eröffnete sein "Offers" nach einem Jahr Fremdbetrieb letzten Donnerstag wieder neu.

Das "Offers", mitten in der elitären Partygegend von Mitte gelegen, hebt sich seltsam unaufgeregt von all seinen Nachbarn ab. Es ist nicht die Vorzeigebar, die man sucht, um weit Gereiste zu beeindrucken. Es ist eher der Ort, den man braucht, um am Abend unter sich zu sein und etwas Kleines, Gutes und erstaunlich Preiswertes zu essen (Pasta und Trüffel zum Beispiel). Jeder, der letztes Jahr fassungslos Abschied nahm, von der grell-bunten Angelegenheit, wird glücklich sein über die Rückkehr des Meisters aus der Provinz.

Britta Wauer

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