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Was machen wir heute?: Hierbleiben

Es ist beruhigend, einen Steuerberater zu haben. Man bekommt regelmäßig Post.

Es ist beruhigend, einen Steuerberater zu haben. Man bekommt regelmäßig Post. Vorgestern erreichte mich die Mitteilung: „Sehr geehrter Herr Ide, unser Einspruch vom 26. Februar 2007 hatte Erfolg. Der Verspätungszuschlag in Höhe von 10 Euro wurde Ihnen erlassen.“ Schön, dass es Menschen gibt, die so etwas erkämpfen. Schön, dass ich zu den anderen Menschen gehöre.

Meine Wohngegend, der Norden von Prenzlauer Berg, hat sich verändert. An den neu verputzten Fassaden hängen goldene Klingelschilder. Überall Anwälte, Steuerberater, Ärzte. In mein Haus ist gerade ein Psychologe eingezogen. Und an der nächsten Ecke hängt ein Behälter für Hundekot-Tüten. Es werden noch Paten gesucht, die den Behälter regelmäßig auffüllen. Ich frage mich manchmal: Lebe ich noch in einer normalen Gegend? Oder sind alle Menschen hier so pedantisch, wie sie es vorgeben nicht zu sein? Manchmal denke ich ans Wegziehen.

Immerhin gibt es Menschen, die wirklich noch anders sind, also ganz normal. An meiner Ecke hat gerade ein Laden mit Spezialitäten aus Korsika eröffnet, ein kleines verstecktes Café in einer ehemaligen Altbauwohnung mit schlichter Einrichtung und leckeren Schokostücken im Cappuccino. Der Betreiber hat wochenlang beim Bezirksamt um die Erlaubnis gebeten, ein kleines Werbeschild vor der Gethsemanekirche aufstellen zu dürfen – abgelehnt. Er machte nicht den Fehler, einen Anwalt einzuschalten, sondern pflanzte lieber ein paar auffällige Blumen vor sein Café und baute eine kleine Umzäunung um die Bäume, um die Hunde fernzuhalten. Gestern war Eröffnung, und als ich mir ein paar frische Croissants holte, beschied mir der neue Ladenbesitzer, er müsse erst mal zur Bank gehen. Ich solle doch meine Rechnung irgendwann in den nächsten Tagen bezahlen. „So schnell ziehst du doch hier nicht weg, oder?“, fragte er mich. „Nein“, antwortete ich und dachte dabei: Warum auch? Robert Ide

Le midi – Gutes aus Korsika und Frankreich; Greifenhagener Straße 17.

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