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Was machen wir heute?: In die eigene Richtung gehen

Seit Greta laufen kann, passt ihr unsere ganze Richtung nicht mehr. Unsere zweite Tochter hat sich angewöhnt, die frisch erlangte Autonomie der Fortbewegung fast ausschließlich dazu zu missbrauchen, vor ihren Eltern wegzulaufen.

„Die Greta, die macht ihr eigenes Ding“, sagt Fatma, unsere Tagesmutter, als ich ihr Greta auf dem Spielplatz übergeben will – und das Kind sich sofort mit schnellen kleinen Schritten auf den Weg zum Ausgang macht. Gretas eigenes Ding, das befindet sich immer in größtmöglicher Entfernung von unserem Ding.

Man soll das Kind laufen lassen, denke ich, es muss seinen Weg gehen. Aber Greta legt es darauf an, mich an die Grenzen meiner Geduld zu führen. Wann immer ich einen Satz mit den Worten „Komm, Greta ...“ beginne, lächelt sie mich trotzig an und wendet mir den Rücken zu. Dann darf ich ihr hinterherlaufen und sie wieder einfangen.

Aber das gibt sich mit der Zeit. Man könnte auch sagen, es wächst sich aus. Gretas große Schwester Emma, zum Beispiel, ist da schon viel weiter. Emma, die Fünfjährige, lässt mich zwar auch hin und wieder stehen und geht einfach weg, wenn ich etwas von ihr will. Aber man kann ihr wahrhaftig keinen Vorsatz unterstellen. Sie hört uns einfach nicht mehr zu, und das nicht einmal böswillig.

Emma lebt in ihrer eigenen Welt. Um sich bei ihr Gehör zu verschaffen, habe ich oft das Gefühl, mich gegen viele Stimmen durchsetzen zu müssen, Pinocchio, Peter Pan, die Hexen Lilli und Bibi Blocksberg und jede Menge anderer Gestalten, die allesamt mehr und Gehaltvolleres zu sagen haben als der Papa mit seinem ewig selben Blabla. Wozu also weglaufen, wenn man den Weg in die innere Emigration gefunden hat? Es ist immerhin schön, den Kindern bei der Entwicklung ihrer ganz persönlichen Individualität zuschauen zu dürfen. Stephan Wiehler

Wo garantiert alle Kinder zuhören? Beim Musical „Bibi Blocksberg und der verhexte Schatz“, am morgigen Sonntag um 14 Uhr im Tempodrom, Möckernstr. 10–15 in Kreuzberg, Eintrittspreise von 13 bis 27 Euro, Ticket-Hotline: 695 33 885

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