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Was machen wir heute?: Konkurrieren

Eine Bühne, ein Mikrofon, ein Mensch; ein Text und fünf Minuten Zeit, ihn vorzutragen; ein Publikum, das zugleich Jury ist; ein Moderator, der am Ende des Abends diejenigen kürt, deren Texte am offenkundigsten bejubelt wurden. Poetry Slam, die Mischung aus Lesung und sportlichem Wettbewerb, lässt sich vielfältig interpretieren: Als Parodie auf eine vermutete Leistungsgesellschaft, als Symptom einer solchen Gesellschaft, als Versuch, Literaturveranstaltungen einen Spannungsbogen zu geben, als antielitärer Gegenentwurf zur bildungsbürgerlichen Dichterlesung, als basisdemokratische Verbeugung vor der Meinung der Menge, als Zwangsneurose, die kreative Erzeugnisse in Relation zueinander setzt und am liebsten durch Schulnoten dingfest machen möchte.

Eine Bühne, ein Mikrofon, ein Mensch; ein Text und fünf Minuten Zeit, ihn vorzutragen; ein Publikum, das zugleich Jury ist; ein Moderator, der am Ende des Abends diejenigen kürt, deren Texte am offenkundigsten bejubelt wurden. Poetry Slam, die Mischung aus Lesung und sportlichem Wettbewerb, lässt sich vielfältig interpretieren: Als Parodie auf eine vermutete Leistungsgesellschaft, als Symptom einer solchen Gesellschaft, als Versuch, Literaturveranstaltungen einen Spannungsbogen zu geben, als antielitärer Gegenentwurf zur bildungsbürgerlichen Dichterlesung, als basisdemokratische Verbeugung vor der Meinung der Menge, als Zwangsneurose, die kreative Erzeugnisse in Relation zueinander setzt und am liebsten durch Schulnoten dingfest machen möchte. In Berlin gibt es zahlreiche solcher Veranstaltungen: Vom Potslam in Potsdam über den Slam des Westens in Schöneberg bis zum Neuköllner Saalslam. Vorgetragen werden Kurzgeschichten, Glossen, Gedichte, Stand-up-Nummern und mehr oder minder experimentelle Mischformen. Gute Karten haben diejenigen, die das Publikum zum Lachen bringen, die die Gedanken der Vielen individuell formulieren, die mit Zartheit zu berühren wissen. Erscheinung, Vortrag und Inhalt bilden eine Einheit, je stimmiger und glaubwürdiger, desto höher die Gunst des Publikums – so darf man als Menschenfreund annehmen.

Jahrelang habe ich mitgeslamt, viele freundliche Menschen dabei kennengelernt und die Ambivalenz einer verlängerten Jugend erlebt. Oft war ich aufgeregt und habe mich und meine Siege und Niederlagen ernster genommen, als es meine Vernunft gebot. Bei den Slams lässt sich über das eigene Konkurrenzdenken, aber auch über Vortrag und Bühnenpräsenz, über Rhetorik und Timing einiges lernen. Unter den Slammern finden sich beizeiten gute Kabarettisten und geistreiche Unterhaltungskünstler. Für Schriftsteller hingegen sind Slams eine unzureichende Schule. Anselm Neft

Poetry Slam Stadtmeisterschaften. 20 Uhr, Volksbühne, Rosa-Luxemburg Platz 2. Moderiert von Wolf Hogekamp und Marc-Uwe Kling

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