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Was machen wir heute?: Kröten gucken

Friedolin macht eine Roadshow. „Deutschlands größte Schildkröte auf Tour“, steht auf dem Schild vor dem roten Zelt, darunter: „250 Kilogramm“.

Friedolin macht eine Roadshow. „Deutschlands größte Schildkröte auf Tour“, steht auf dem Schild vor dem roten Zelt, darunter: „250 Kilogramm“. Und Friedolin kommt nicht alleine, sondern mit all jenen, vor denen es Menschen schaudert. „Welt der Reptilien“ heißt die Ausstellung.Vor Ort ist die Baumvogelspinne, die Tigerpython, die Gazellen verschlingen kann, die Anakonda, der Mississippi-Alligator Elvis und ein Moderator, der Schlangen in die Menge hält. Es gibt diesen Reptilienzoo schon lange, vor mehr als 60 Jahren gründete Felix Richter ihn, damals als Schulzoo, inzwischen führen ihn seine Enkel, jeden März gehen sie mit ihren Tieren aus dem sächsischen Thorgau auf Tour. Und während die Menschen die eigentümlichen Tiere der Richters betrachten, kann man die Spezies Mensch in Ruhe beobachten.

Da sind zwei, Junge und Mädchen, sie treffen sich schon länger, sagt sie und sortiert die aufgebauschten Locken, ihm vielleicht zu lange ohne vorzeigbares Ergebnis. Als der Moderator fragt, wer die Boa anfassen will, springt er zu ihm und lässt sich das Tier um den Hals legen. Das Mädchen vergisst die Arbeit an den Locken und staunt stattdessen, und als er wiederkommt, greift er ihre Hand, endlich, und sie lässt es geschehen. Etwa dreißig Jahre älter ist das Paar an dem Gehege mit den Schildkröten, zwei schlankere Tiere als Friedolin, zwei Spornschildkröten, tun schon seit einer Weile das, was man landläufig als rammeln bezeichnet. Der Mann deutet auf sie. „Bei uns würde das noch länger dauern“, sagt er und wirft einen vorwurfsvollen Blick auf seine Frau, sie verdreht die Augen. Was soll sie tun, wenn sogar eine Kröte ein besserer Liebhaber als ihr Mann ist.

Fast hätte man darüber Friedolin, 51 Jahre alt und Hauptact der Ausstellung, vergessen. Doch er hat sich so weit in eine Ecke seines Geheges verkrochen, dass man ihn nicht sehen kann. Verena Friederike Hasel

Die „Welt der Reptilien“ ist noch bis zum 27. Oktober auf dem Zentralen Festplatz, Kurt-Schumacher-Damm 207 in Berlin-Wedding zu sehen.

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