zum Hauptinhalt

Was machen wir heute?: Kunstverstand bilden

Ist das nicht toll, in so einer großen Stadt wie Berlin aufzuwachsen?“, frage ich Emma, als wir über den Mariannenplatz zur Musikstunde gehen.

Ist das nicht toll, in so einer großen Stadt wie Berlin aufzuwachsen?“, frage ich Emma, als wir über den Mariannenplatz zur Musikstunde gehen. Emma zuckt mit den Schultern. Für meine fünfjährige Tochter ist unser Wohnort nichts Besonderes, schließlich ist sie in Berlin geboren. Vermutlich frage ich sie gelegentlich danach, weil ich selbst in der Provinz groß geworden und immer noch stolz darauf bin, von dort weggekommen zu sein.

Ach, die Möglichkeiten der Großstadt! Davon machen sich meine Kinder gar keine Vorstellung. Allein die Kunst- und Kulturszene! Wird Zeit, dass die Kinder dafür einen Sinn entwickeln. Wie praktisch, dass Emmas Musikschule im Künstlerhaus Bethanien ist.

Während sie ihre Stunde hat, erkunde ich mit ihrer kleinen Schwester Greta die langen Flure des alten Diakonissen-Krankenhauses. Im Erdgeschoss entdecken wir eine Ausstellung von jungen Künstlerinnen der Kunsthochschule Weißensee. Es gibt einen abgedunkelten Raum, in den man durch eine knarzende Pendeltür gelangt. Gretchen traut sich zuerst nicht hinein, aber dann kommt sie doch mit. Im Halbdunkel stehen hölzerne Kästen, in die man nur durch schmale Sehschlitze blicken kann. Im Innern hat die Bühnenbildnerin Maren Geers kleine figürliche Szenerien arrangiert, Paare beim Tanz, eine Badeanstalt, einen Flugzeughangar, alles in kaltes, bläuliches Licht getaucht. Neugierig lugt Greta durch die Sehschlitze, und als Emma ihre Stunde beendet hat, kommen wir noch einmal in die Ausstellung zurück.

„Ein bisschen gruselig, aber schön“, lautet Emmas Fazit, als wir den dunklen Raum mit den Holzkästen wieder verlassen. Für ihre erste Kunstkritik nicht schlecht. Und Klein- Greta pendelt schwankend zwischen den quietschenden Saloontüren. Nur mit Mühe und Tränen ist sie aus der Ausstellung herauszubekommen. Was für weltstädtische Töchter ich doch habe! Stephan Wiehler

Die Ausstellung „Kaltstart“ ist bis zum 11. Juni täglich von 12 bis 19 Uhr im Kunstraum Kreuzberg im Bethanien, Mariannenplatz 2, zu sehen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false