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Kultur: Was machen wir heute?: Lange wach bleiben

Das muss die Jahreszeit sein, die die Menschen in die Ferne treibt - der Berliner Winter, den man endlich abhaken will. Im Augenblick jedenfalls sind fast alle meine Freunde verreist.

Das muss die Jahreszeit sein, die die Menschen in die Ferne treibt - der Berliner Winter, den man endlich abhaken will. Im Augenblick jedenfalls sind fast alle meine Freunde verreist. Nur ich bin hier und freue mich, dass es wenigstens schon ein paar Grad wärmer geworden ist. Aber die allein verbrachten Abende haben auch ihr Gutes: Lange habe ich nicht mehr so ausgiebig gelesen und Fernsehen geguckt.

Am Wochenende ist das Fernsehprogramm bekanntlich nicht so gut, da sind die Abende mit Softerotik-Filmchen vollgemüllt. Ich habe mich also in den Zeitungen informiert - wie gesagt, sonst ist ja niemand mehr da, der mir einen Tipp geben könnte. Und überall war es zu lesen: Der Tresor feiert sein Zehnjähriges. Der Tresor, fast hätte ich vergessen, dass es den überhaupt noch gibt, waren doch immer wieder Schließungsgerüchte im Umlauf.

Eigentlich hätte ich mir ja denken können, dass solche Gerüchte zum guten Ton eines jeden Clubs gehören. Warum ich seit vier Jahren nicht mehr dort war, hat andere Gründe: Damals war es dort einfach so voll, dass man beim Tanzen mit dem Kopf ständig gegen die Schirmkappen der Umgebenden stieß. Seitdem bin ich lieber in die neuen, kleineren Mitte-Clubs gegangen, dort gab es nicht so viele Kappenträger mit nacktem Oberkörper. Dieses bemerkenswerte Jubiläum aber wäre ein Grund, mal wieder den Tresor aufzusuchen. Und das Programm liest sich auch nicht schlecht: Marshall Jefferson und Christian Vogel sind große Namen der Techno-DJ-Szene.

Stellt sich die Frage, wie man die Zeit vorher herumkriegt. Denn vor dem Morgengrauen in den Tresor zu gehen ist wahrscheinlich keine gute Idee. Man muss stundenlang anstehen, und es wird zu voll sein. Um sich wach zu halten, könnte man sich zum Beispiel in den Edison-Höfen noch ein wenig Kunst der üblichen Verdächtigen angucken: Berlins Club Art Künstler Jim Avignon, Peter Maibach und Philipp Grözinger zeigen Arbeiten zum Thema Licht, dazu kann man der netten Tanzmusik von Brezel Göring & Françoise Cactus lauschen. Wenn dann immer noch ein paar Stündchen fehlen, könnte man zu Hause ein wenig VIVA 2 gucken - solange es diesen Sender noch gibt. Gerade habe ich gelesen, dass seine Tage gezählt sein sollen. Um vier Uhr jedenfalls wird die Club-Mix Sendung 2Step wiederholt, und erst wenn die vorbei ist, sollte man sich endlich auf den Weg in den Tresor machen.

Ein wenig muss man natürlich aufpassen, dass man nicht einschläft. Denn dann fördert dieser Vorschlag zur Abendplanung nur die Annahme, dass Techno zwangsläufig allein mit Aufputschmitteln zu erleben ist.

Christine Lang

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