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Was machen wir heute?: Locker werden

Jetzt hast du den Salat. Eben noch unbeobachtet am Rand der Tanzfläche, dachtest du: Hey, das Lied kenne ich, das ist cool, warum nicht ein bisschen tanzen?

Jetzt hast du den Salat. Eben noch unbeobachtet am Rand der Tanzfläche, dachtest du: Hey, das Lied kenne ich, das ist cool, warum nicht ein bisschen tanzen? Nur Mut! Die Verve mit der du in diesen Tanz gehüpft bist, ist aber nach ein paar Sekunden verflogen. Falscher Song, Fehlalarm. Eine Rhythmustäuschung. Das machen sie ja jetzt dauernd: Intros, Teile oder alles von einem alten, vielleicht sogar guten Lied klauen und daraus ein neues, mit Sicherheit mieses Lied machen.

Mitten auf der Tanzfläche wippst du unsicher auf den Fußballen und triffst eine folgenschwere Entscheidung: weitertanzen. So tun, als sei das falsche Lied das richtige. Die Leute sollen nicht denken, dass du nicht weißt, was du tust. Du hast das Gefühl, dass alle dich ansehen und dein halbherziges Tun bemerken, die hölzerne Art mit der du gegen deinen Willen die Arme abwinkelst. Vielleicht solltest du sie ein Stück mehr abwinkeln, oder in die Achtziger-Jahre-Bono-Windmühlentechnik verfallen, denkst du. Oder mit den Fingern schnippsen wie Dieter Thomas Heck, eine Prise Ironie in deine Gesten geben. Oder mehr mit den Hüften wackeln, wenn die sich nur nicht so festgebacken anfühlen würden. Bretthart, der ganze Körper, und dieses Gefühl alle sehen es, dabei sagt dir dein Verstand, dass das Blödsinn ist: Niemand nimmt Notiz von dir. Du bist ja ganz hinten in der Ecke, bei der Box, und die anderen sind mit sich beschäftigt, was sollen die denn jetzt dich und dein halbherziges Tanzen bemerken? Dieses verlogene Armrudern. Dieses Gegen-den-Willen-die-Füßchen-kess-Anlupfen. Du hast die Augen zu und trägst ein genießerisches Lächeln zur Schau. Ganz du, ganz versunken in den tollen Song – so soll das aussehen. Das ganze Gesicht tut dir weh von diesem entspannten Lächeln. Dein Herz ist traurig und deine Füße tanzen dazu. So geht das nicht weiter. Du willst das jetzt mal üben: dich fallen lassen, Extase-Tanz, Vollmondtrommlen, barfuß. Jawoll. Anselm Neft

Freies Tanzritual im „K77“, donnerstags ab 20.45 Uhr, Kastanienallee 77, www.k77.org

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