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Was machen wir heute?: Musil ordnen

Angela Merkel hat mit den Chefchinesen geredet, „offen und kritisch“, wie es heißt. Ob sie jedoch die Probleme mit meinem MP3-Gerät, made in China, angesprochen hat, ist völlig unklar.

Von David Ensikat

Angela Merkel hat mit den Chefchinesen geredet, „offen und kritisch“, wie es heißt. Ob sie jedoch die Probleme mit meinem MP3-Gerät, made in China, angesprochen hat, ist völlig unklar.

Ich habe das Ding wegen seines Namens gekauft, „Sansa“, ich fand, dass das nach Kafka klingt, der Käfer, Gregor Samsa, nicht wahr, ich dachte, dass ein Gerät solchen Namens auch zum Abspielen einer Musil-Lesung taugen müsse, schon weil Kafka ebenso wie Musil in „Kakanien“ aufgewachsen ist (selbstverständlich hätte ich noch lieber ein Gerät gekauft, das etwa „Törleß“, „Ulrich“ oder „Stumm von Bordwehr“ geheißen hätte, aber so etwas stellen die Chinesen eben nicht her). Nun ist die Sache die, es gibt eine ganz hervorragende Lesung des ganz hervorragenden Romans „Der Mann ohne Eigenschaften“, welche, da ich mich ganz und gar nicht in der Lage sehe, dieses 1500-Seiten-Buch mit seinen mitunter recht komplizierten Sätzen von vorn bis hinten durchzulesen, von vorn bis hinten durchzuhören im Augenblick ich mich befleißige. „Befleißigen“ ist insofern das richtige Wort, als dass das Gerät „Sansa“ sich außerstande zeigt, die Buch- bzw. Lesungskapitel in der richtigen Reihenfolge abzuspielen. Daher muss ich mit unendlich vielen Knopfdrücken nach jedem Kapitel das jeweils folgende aus der unendlich langen Kapitelliste aussuchen. Hier handelt es sich um ein Problem, welches Robert Musil (1880–1942) unmöglich hat erahnen können, daher ist ihm auf keinen Fall der Vorwurf zu machen, weit mehr als 150 Kapitel geschrieben zu haben. Vielmehr muss man darüber mit den Chinesen sprechen, deren Gerät „Sansa“ die Kapitel durcheinanderwirft. Aber vielleicht sollte man auch einfach wieder lesen. Musil schreibt: „Jeder Fortschritt ist zugleich ein Rückschritt. Es gibt Fortschritt immer nur in einem bestimmten Sinn. Und da unser Leben im Ganzen keinen Sinn hat, hat es im Ganzen auch keinen Fortschritt.“ David Ensikat

Robert Musil, „Der Mann ohne Eigenschaften“, gelesen von Wolfram Berger, zwei Teile, 62 Stunden. Nur bei Zweitausendeins.

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