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Kultur: Was machen wir heute?: Nach dem Fahrstuhlführer klingeln

Erziehungsurlaub - ein herrliches Wort. Die ersten drei Silben verschluckt man eh, und dann steht da nur noch Entspannung, Muße, Ferien eben.

Erziehungsurlaub - ein herrliches Wort. Die ersten drei Silben verschluckt man eh, und dann steht da nur noch Entspannung, Muße, Ferien eben. Nichts, aber auch gar nichts schwingt davon im neuen Begriff Elternzeit mit. Schließlich ist man Eltern für den Rest seines Lebens. Aber Urlaub, den nimmt man sich und genießt. Jedenfalls habe ich mir das mit den Zwillingen fest vorgenommen, wir absolvieren regelrecht ein Ferienprogramm. Nur das Lesen dicker Romane musste ich von der Liste streichen. Das interessiert Jan und Josephine nicht so sehr; so viel können sie schon deutlich mitteilen, auch wenn sie in ihrer Wortbildungsphase erst bei "Rgl" und "Hkl" angelangt sind.

Also weiter, nächster Programmpunkt: Museumsbesuche, von denen es in Berlin noch für den längsten Erziehungsurlaub genügend gibt. Denn darin habe ich mir Frau Ragotsky aus Birgit Vanderbekes Roman "Gut genug" zum Vorbild genommen, die sie alle abgeklappert hat - allerdings nur mit einem Baby. Ihre Geschichte hätte sonst wohl eine ganz andere Wendung genommen.

Schon das Hineinkommen ist mit dem Zwillingswagen ein Problem. Denn vor den Kulturtempeln türmen sich meist riesige Treppen, die man so vorher nie wahrgenommen hat. Ist nach Umrundung der Gebäude endlich der Sondereingang gefunden oder das entsprechende Klingelschild etwa von weihnachtlicher Dekoration befreit, beginnt das eigentliche Abenteuer.

So sollte man im Deutschen Historischen Museum nicht zimperlich sein, wenn der Weg zu Licht und Kultur erst einmal durch das Kellergeschoss und an diversen Katalogpaletten und leeren Vitrinen vorbeiführt. Im Martin-Gropius-Bau dagegen empfiehlt es sich, ein Handy dabei zu haben. Damit man für den Besuch der einzelnen Etagen jedes Mal einen Mitarbeiter herbeiklingeln kann, der den Lastenaufzug betätigt. Sogar in der ebenerdigen Guggenheim-Galerie geht es nicht ohne den freundlichen Wachmann, der die tonnenschwere Eingangstür allen Zeitschranken zum Trotz aufgestemmt hält. Sonst würde unser Zwillingswagen zum Einsitzer zusammengequetscht.

Aber wirklich etwas Besonderes ist die Alte Nationalgalerie. Dort erhält man im Tausch für das eigene Gefährt einen, genauer: zwei todschicke Buggys mit blütenweißen Reifen, auf denen man elegant durch die Räume gleiten kann. Und wer trotzdem die neuen Fußleisten in den schmaleren Durchlässen schrammt, hinterlässt wenigstens keine Spuren.

Da zeigt sich die Alte Nationalgalerie auf der Höhe der Zeit, ach was, der Zukunft, denn schließlich geht es um die Museumsbesucher von übermorgen. Ganz im Gegensatz zu ihrer Schwester, der Neuen Nationalgalerie, wo das Wachpersonal der "Warhol"-Ausstellung glattweg den Zugang versperrte. Zu voll und überhaupt die Besucherordnung. Wir könnten ja um 23 Uhr wiederkommen, da sei es leerer. Das haben wir drei denn doch gelassen. Denn schließlich haben wir Urlaub.

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