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Was machen wir heute?: Neue Chinesen erleben

So wenig Menschen hier, sagt der Künstlerfreund zum Rentner. Es empfängt die beiden ein riesiges Bild, welches die ganze Wand füllt, 4,50 Meter hoch und 9 Meter lang: Eine schwarze Tuschwolke senkt sich auf einen See, wenn es denn ein See ist.

So wenig Menschen hier, sagt der Künstlerfreund zum Rentner. Es empfängt die beiden ein riesiges Bild, welches die ganze Wand füllt, 4,50 Meter hoch und 9 Meter lang: Eine schwarze Tuschwolke senkt sich auf einen See, wenn es denn ein See ist. Hunderte Menschen, die in einen Schlauch gepresst sind, vielleicht ist es eine Brücke, hängen unter dieser Wolke, und im See schwimmen wieder Menschen, jeder anders in seiner Mimik. Etwas comicähnlich wirken sie, aber eine Satire scheint es nicht zu sein. Der Künstlerfreund bewundert die Arbeit mit der Tusche, der Rentner staunt, ein derart witzige Arbeit in dieser Technik hat er noch nie gesehen.

Auf dem nächsten Bild starrt ein breitgesichtiger Chinese im europäisch-amerikanischen Polo-Shirt angeekelt auf die Delikatessen vor ihm – zum Beispiel einen tot auf dem Rücken liegenden Frosch. Hinter ihm steht eine Frau in einer Bluse im asiatisch-chinesischen Stil, ein Schoßhündchen sitzt seitlich vor Knöchelchen, die sich vor dem Frosch wiederholen. Alles ist wunderbar ausgeführt – und eklig. Anscheinend sind das Arbeiten der neuen Chinesen, die nichts mehr mit Mao und seiner Zeit zu tun haben wollen. Der Künstlerfreund kann sich gar nicht genug freuen über die Tuscharbeit und zeigt dem Freund den wunderbar gearbeiteten Fisch auf dem Teller: Tusche gibt einerseits die schwarze Umrissform, andererseits läuft sie aus wie in einem Aquarell.

Die Freunde amüsieren sich, selten haben sie derart viel Humor und Qualität in der Kunst entdeckt. Lange stehen sie vor „Menschen" von LIN XI, 60 Skizzen von wenig bekleideten Frauen. Jede strahlt einen anderen Charakter aus. Dann stehen sie vor WANG Mengqis „Kräftigende Jiutian Fenglu Suppe": Zwei zerzauste, grämliche Chinesen sitzen vor ihren Suppenschüsseln und warten auf die Kräftigung. Mensch, das sind ja wir, schreit der Rentner belustigt. Plümper

Zeichen im Wandel der Zeit – Chinesisches Tuschmalerei der Gegenwart, Museum für Asiatische Kunst, Lansstraße 8, Di.-Fr., 10-18 Uhr; Wochenende, 11-18 Uhr.

Plümper

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