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Was machen wir heute?: Nicht grüßen

Ich sitze vor einer Mail und kann sie nicht abschicken. Ich schreibe einem M.

Ich sitze vor einer Mail und kann sie nicht abschicken. Ich schreibe einem M. oder einer M. Gärtner wegen einer Wohnung in Kreuzberg. Wie aber adressiere ich eine Person rätselhaften Geschlechts, die auf der Homepage www.wg-gesucht.de ein Zimmer inseriert hat?

Liebe/Lieber Gärtner? Das ist doppelt blöde. Man redet die jungen oder sich jung wähnenden Menschen dieser Börse nicht mit Nachnamen an. Erst recht nicht als gemischt-geschlechtliches Schrägstrich-Doppel. Ich schreibe „Hallo“. Einige Sekunden starre ich auf das Wort, an dessen Ende ein trauriges Komma baumelt. Vielleicht wirkt es weniger peinlich, wenn ich es mit einem Zusatz versehe. „Hallo erst mal“. Nein. „Hallo, wer immer du bist“. Auch nicht. „Hallo M. mit dem unbekannten Geschlecht.“ Mir wird langsam klar, dass ich auf eine Anrede verzichten muss.

Die nächste Hürde ist die finale Grußformel. „Gruß“ allein klingt zu trocken, beinahe autistisch. „Gruß“ klingt wie der Name eines Orkfürsten oder eines amerikanischen Tiefkühlschnitzels, das man im Toaster zubereiten kann. „If you like meat, you will love gruß.” „Grüße“ klingt schon netter, aber eine unbestimmte Menge an Grüßen wirkt dubios. „Zwei Grüße“ wären kleinlich. Warum nicht „Viele Grüße“? Auch hohl. Ein Gruß wird ja nicht dadurch aufgewertet, dass er sich vervielfältigt. Es schreibt ja auch niemand zu Beginn „Viele Hallos“ oder „Mehrfach lieber M.“

Ich verwerfe weitere Grußformeln: „Beste Grüße“, „Premiumgrüße“, auch einen einzigen wohlplatzierten „1A Gruß“ und den „Gruß deluxe“. Ebenso „es grüßt“, „mit Grüßgruß“, „Winkewinke“, ein sinnfreies „Alles Gute“ und spontane Eingebungen wie „Gott mit dir“ und „Ich segne dich“.

Schließlich schreibe ich unter den grußlos begonnenen Text einfach nur meinen Namen. Sechs Stunden später bekomme ich eine Antwort: „Hi Anselm, echt cool, daste nachfragst. Jetzte ist die Butze aber schon weg. Hau rein. M.“ Anselm Neft

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