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Was machen wir heute?: Schimpfen und singen bei Hertha

Wie ein West-Berliner die Stadt erleben kann

Angeblich gehen die Leute zum Fußball, „weil sie nicht wissen, wie’s ausgeht“. Hat Sepp Herberger gesagt – aber der hat ja auch nie für Hertha gespielt (sondern für TeBe, pfuispinne). Zu Hertha gehen die Leute nämlich, weil sie „ein bisschen schimpfen und singen wollen“. Das hat Pal Dardai gesagt, und der ist gefühltermaßen schon für Hertha gerannt, als Klein-Herberger noch mit dem Brummkreisel gespielt hat.

Schimpfen und singen also. Wobei die Hertha-Fans streng arbeitsteilig vorgehen. Die Ostkurve singt. Der Rest schimpft. Nur zwei Ausnahmen gibt es: Wenn die Spieler einlaufen und die Hertha-Hymne ertönt – dann wird einmütig gesungen. Und wenn der Schiri eine krasse Fehlleistung begeht (also gegen Hertha entscheidet): wird er von allen beschimpft.

Ansonsten wird auf den Tribünen am liebsten über die Spieler gemeckert, die die Kurve als ihre Lieblinge besingt. Herthas bester Bundesliga-Torschütze aller Zeiten? „Eine Pfeife, der Preetz!“ Die Zelebrität des magischen Außenrists? „Eine Pfeife, dieser Pantelic!“ Der Meister des Zens der Innenverteidigung? „Eine Pfeife, dieser Simunic!“ Diesen Fehler sollte man in Berlin nie machen: große Erwar tungen zu wecken. Denn dann muss man sie mindestens übererfüllen. Oder ist ganz schnell eine Pfeife.

Der West-Berliner selbst schüttet eigentlich lieber Spott und Häme über die Gegner aus. All diese Nichtskönner, Schönspieler, Krawallchargen, Knochenbrecher, Fallsüchtigen, Haderlumpen, Möchtegerne und überhaupt Fehlbesetzungen, die sich auf unserem Grün versuchen und ohne Schiedsrichter nur ein besseres Frühstück hergeben würden.

Der West-Berliner ist außerdem konstruktiv: Statt zu meckern, erteilt er glasklare Handlungsanweisungen. „Spiel links! Liiiiinks!!!“ – „Vor! Vor! Auf den 10er da!“ – „Alle nach vorne!“ Unbegreiflich, dass die Herthaner trotzdem rechts spielen. Den 10er ungestört schießen lassen. Kläglich verzagt hinten bleiben. Warum bloß tun sie das? Nur, damit wir was zu schimpfen haben? Holger Wild

Am kommenden Freitag, 20 Uhr 30 spielt Hertha im Olympiastadion gegen Köln.

Holger WildD

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