zum Hauptinhalt

Kultur: Was machen wir heute?: Selbstgebranntes hören

Wenn es in Berlin einen Club gibt, der sich über mangelnde Nennung in dieser Zeitung nicht beklagen kann, dann ist es das Maria am Ostbahnhof. Vor allem die Kollegen Partygänger, die an dieser Stelle jeden Freitag tippsen, finden hier immer wieder Spannendes und sprechen darüber.

Wenn es in Berlin einen Club gibt, der sich über mangelnde Nennung in dieser Zeitung nicht beklagen kann, dann ist es das Maria am Ostbahnhof. Vor allem die Kollegen Partygänger, die an dieser Stelle jeden Freitag tippsen, finden hier immer wieder Spannendes und sprechen darüber. Echte Entdecker schreckt das eher ab. Die kommen überhaupt nur incognito hierher und dann auch am liebsten, wenn es Untypisches gibt. So zum Beispiel vor nun auch schon wieder fast einem Jahr, als eine kleine, nahezu unbekannte Berliner Band spielte. Goldfish heißt sie, und ich wäre wohl kaum hingegangen, hätte ich nicht zufällig ein paar Tage zuvor in Ben Beckers Trompete am Lützowplatz einen guten, alten Bekannten getroffen: Friedhelm, einer der besten Trommler der Stadt.

Friedhelm spielt seit den achtziger Jahren in Bands, die almost famous sind - es also nie so richtig schaffen. Irgendwann in den Neunzigern ist er ab nach England. Jetzt war er also wieder da - und hatte gleich wieder eine neue Band: Goldfish eben. Und die sollten im Maria spielen.

Sehr schön, dachte ich später, aber bestimmt nichts für sonnige Tage. Doch ein paar Wochen später spielten Goldfish bei der Fete de la Musique umsonst und draußen am Maybachufer - und auch das funktionierte, jedenfalls mit einem dicken Humpen intus und einem weiteren in der Hand. Friedhelm schenkte mir an dem Abend eine Goldfish-CD, selbst produziert, handbeschriftet.

Was uns nun heute wieder an den Ostbahnhof führt, ist eine ebenfalls handbeschriftete CD, wenn auch nicht selbst produziert, sondern selbst gebrannt, und ganz, ganz anders. Martin, ein unbekannter, mitgebrachter Partygast, hatte sie am Wochenende dabei. Und zu hören war: Senor Coconut, ein Mensch, der eigentlich Uwe Schmidt heißt. Anfang der neunziger Jahre war er in Frankfurt am Main Teil der Technoszene, arbeitete unter anderem mit Bill Laswell und Tetsu Inoue zusammen. Vor drei, vier Jahren, so will es die Legende, wanderte Schmidt gelangweilt nach Chile aus.

Er nahm einen Sound seiner Jugend mit: Kraftwerk. Warum nicht das mit Latino zusammenbringen? Gedacht, gemixt, für gut befunden. Von Chile kam Uwe Schmidt als Senor Coconut nach Deutschland zurück. Und so dringen nun in die Synkopen von Coconuts Sunshine-Salsa subversiv die knappen Tonbögen von Kraftwerk wie ein dicker deutscher Hintern durch die Ritzen eines Bambusstühlchens. Wer nicht glauben will, dass sich das ganz wunderbar anhört, hat heute Abend eine gute Chance, sich überzeugen zu lassen.

Für alle anderen gilt, dass sie selbstverständlich schon vor einem guten halben Jahr beim Coconut-Auftritt im Maria am Ostbahnhof waren, deshalb Herrn Kokosnuss persönlich aufs Beste kennen

und die Verfielfältigung ihres Geheimtipps aufs Schärfste verurteilen. Adios Amigos, bis später!

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false