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Was machen wir heute?: Trotzdem langsam fahren

Als Kind hörte die heutige Rentnerin einen Großonkel öfter bedächtig sagen: „Schnell fahren is keene Kunst, langsam fahren is ’ne Kunst.“ Onkel Max wusste Bescheid, denn er hatte Erfahrung als einer der ersten Taxifahrer Berlins.

Als Kind hörte die heutige Rentnerin einen Großonkel öfter bedächtig sagen: „Schnell fahren is keene Kunst, langsam fahren is ’ne Kunst.“ Onkel Max wusste Bescheid, denn er hatte Erfahrung als einer der ersten Taxifahrer Berlins. Lange her, er soll sogar Theobald von Bethmann Hollweg, Reichskanzler von 1909 bis 1917, chauffiert haben.

Wer denkt schon an die Kunst des Langsamfahrens. Ob auf einer Hauptverkehrsader wie der Avus oder in einer Tempo-30-Zone wie in Schlachtensee, Geschwindigkeitsbegrenzungen werden gern ignoriert, sofern nicht gerade ein Polizeiwagen in Sicht ist.

Nun gibt es Straßen, die es in sich haben, zum Beispiel die Straße Am Schlachtensee. Lang ist sie und schmal, krumm und schief mit versetzten Parkmöglichkeiten. Klar, dass man dort schon seit ungefähr 20 Jahren nur Tempo 30 fahren darf, höchstens. Alles drängt zum Wald und und zum See oder zur Avus. Also sind auf der zweieinhalb Kilometer langen Strecke zwischen Mexikoplatz und Spanischer Allee viele Autos unterwegs; fast alle haben es wahnsinnig eilig.

Neulich machte ich mir einen Spaß, Rache ist süß. Ein auf der Gegenseite heraneilender Autofahrer ignorierte ein Hindernis, so kamen wir beide nicht aneinander vorbei. Er dachte nicht daran, ein Stückchen rückwärts zu rollen. Ich schon gar nicht. Natürlich bildeten sich bald auf beiden Seiten kleine Autoschlangen. Der Sünder versteckte sich seelenruhig hinter seinem Lenkrad. Doch zwei Autofahrerinnen stiegen aus. Die eine bat mich höflich, auszuweichen auf den Fahrradstreifen, was heißt schon regelwidrig. Die andere beschimpfte mich.

„Ich wäre vorsichtig“, entgegnete ich, „dieser Herr und auch Sie hätten warten müssen“. Die Mahnung von Onkel Max entschlüpfte mir: „Schnell fahren ist keine Kunst, langsam fahren ist die Kunst.“

Dann fuhr ich über den Radfahrweg, leider ging es nicht anders. Typisch, dachte ich, so ein Mann hält drauf, und wenn es schief geht, macht er sich unsichtbar, die Frauen regeln die Sache schon. Zu dumm. Brigitte Grunert

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