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Was machen wir heute?: Über Facebook schimpfen

So empört hat der Vater die Töchter selten erlebt. „Ein Depp sagt was, und alle springen“, schimpft die 17-jährige Franca.

So empört hat der Vater die Töchter selten erlebt. „Ein Depp sagt was, und alle springen“, schimpft die 17-jährige Franca. Der Vater versteht trotz geballter Leidenschaft nur Bahnhof, obwohl es doch um Facebook geht. Die Töchter erregen sich über einen Aufruf, der vor einer Woche in der Community auftauchte. Jeder solle sein Foto bei Facebook gegen eine japanische Manga- oder Comicfigur tauschen, forderte ein Unbekannter seine Freunde auf. Und die verbreiteten den Vorschlag an ihre Freunde und die an deren Freunde – und innerhalb von zwei Tagen hatte jeder der 500 Millionen Facebook-User die Aufforderung, erzählt die 20-jährige Lara.

Wow, starke Leistung, sagt der Vater und ist beeindruckt. „Du verstehst mal wieder gar nichts“, ärgert sich Lara. „Das Schlimme ist doch, dass alle sich dran halten und einen nun wirklich überall diese Comicgesichter anglotzen.“ So hat das bei den Nazis auch funktioniert,die Leute folgen einfach einem Befehl und fragen nicht, was das für ein Unsinn ist, schimpft Franca. Naja, der Nazi-Vergleich ist doch etwas zu heftig, gibt der Vater zu bedenken. Aber stell dir mal vor, einer sagt bei Facebook, macht eine bestimmte Person fertig, sagt Lara: Das ist doch ein gruseliger Gedanke. Ja, wie bei dem Buch „Die Welle“, wo die Schüler einer ganzen Schule plötzlich zu Nazis werden, weil der Lehrer die Kontrolle über das Experiment verliert, erzählt Franca. Ich finde Facebook schon gut, weil ich damit Kontakt mit meinen Freunden in Italien halten kann, sagt Lara. Aber die Leute sind so Stulle, wenn sie ihre Partyfotos unter Klarnamen einstellen. Dann ist es doch nicht schlecht, wenn nun jeder eine anonyme Mangafigur statt eines Fotos präsentiert, sagt der Vater. Lara schaut böse. Deine Witze sind auch nicht besser, schimpft Schwester Franca mit ihr: Du hast mir doch sofort ein Bild von einem Frosch geschickt. Gerd Nowakowski

„Die Welle“ ist erschienen im Ravensburger Buchverlag. Wie das Leben in der Diktatur war, kann man im DDR-Museum nachempfinden. Karl-Liebknecht-Str. 1 am Berliner Dom, Mo– So 10–20 Uhr, Tickets 5,50, ermäßigt 3,50 Euro

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