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Kultur: Was machen wir heute?: Unheil verhüten

Fassen wir doch einmal kurz alles Unheil zusammen, das das Kind über diese Welt gebracht hat. Schon in seinen ersten Lebenstagen hat es Möbel und Kleidungsstücke bespuckt; irgendwann begann es zu beißen.

Fassen wir doch einmal kurz alles Unheil zusammen, das das Kind über diese Welt gebracht hat. Schon in seinen ersten Lebenstagen hat es Möbel und Kleidungsstücke bespuckt; irgendwann begann es zu beißen. Aber seitdem der kleine Kerl einigermaßen sicher und schnell laufen kann, ist er zu einer Gefahr für den Weltfrieden geworden.

Gläser besitzen wir nur noch wenige, die anderen liegen in Scherben bei der BSR. Das Kind benutzt CDs wie andere Leute Frisbees, es bringt mit einigen energischen Schlägen die Computer zum Abstürzen, es bemalt den Berberteppich mit Lippenstift und das Sofa mit Fettfingern, es entsorgt silberne Löffel im Mülleimer, stellt die Waschmaschine an und die Heizung aus, feuert Handys gegen die Wand, zerreißt meine Gehaltszettel und kratzt das Parkett mit gemopsten Messern. Regelmäßig wirft es Dinge ins Klo, die nicht reingehören und dort einen Teil ihrer Identität einbüßen, Papierrollen zum Beispiel oder Bücher. Es klettert auf den Tisch und verdrängt dort die Teekanne sowie alle unsere chinesischen Vasen aus der Bung-Bung-Dynastie. Es stakst in meinen Schuhen durch die Wohnung und deponiert sie, gefüllt mit Erde, im Blumentopf, es reißt Dichter und Denker aus dem Regal, schiebt Bauklötze in den Videorecorder und begrüßt die Nachrichtensprecher im Fernsehen mit Hieben. Undsoweiter. Kürzlich hat es sogar den Wecker verstellt, der dann um vier Uhr bimmelte. Wir haben auch den Verdacht, dass es auf unsere Kosten Ferngespräche führt. Keine Frage, hin und wieder macht das Kind auch Freude. Aber den materiellen Schaden, der uns aus seiner Existenz entsteht, begleicht es nie.

Nun ist gerade der Kindsvater ein sensibles Geschöpf und mag es gar nicht, wenn er ständig "Nein! Hör auf! Lass das! Du Ungeheuer!" rufen soll. Ich bin nicht sensibel, aber dafür bequem und lasse Söhnchen auch oft gewähren. Das Kind nimmt uns daher beide nicht ernst. Wenn wir "nein!" sagen, lacht es und ahmt uns nach, es droht mit dem Zeigefinger und ruft vergnügt "nei, nei!" Bei seiner Tagesmutter dagegen benimmt sich der Kleine angeblich einwandfrei. Es handelt sich also nicht um ein schwer erziehbares Kind. Nur um schlecht erziehende Eltern.

Es ist daher nicht schwer vorauszusagen, wie der Heilige Abend dieses Jahr verlaufen wird. Das Kind wird den Weihnachtsbaum erblicken, jubelnd die Arme hochreißen, darauf zustürmen, mit einem gekonnten Griff die Tanne aus der Haltung reißen und darunter begraben werden. Die Großfamilie wird in Flammen aufgehen, der Brand wird auf die Nachbarschaft übergreifen, und binnen kurzem wird die Stadt Berlin der Vergangenheit angehören. Es tut mir leid, dies hier ankündigen zu müssen. Schade um unsere schöne Stadt und die vielen Tagesspiegel-Leser! Aber das Kind hört einfach nicht auf uns.

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