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Was machen wir heute?: Uns der Mauer nähern

Wie eine Rentnerin die Stadt erleben kann - in der Zwingli-Kirche in der Ausstellung zum Mauerfall.

Die drei verwitterten Mauersegmente vor der Zwingli-Kirche unweit der Oberbaumbrücke in Friedrichshain sagen kaum etwas über das einstige Monstrum aus. Egal, sie stehen dort, weil in der Kirche eine Ausstellung an das Leben der Nachbarn in Friedrichshain und Kreuzberg vor und zu Mauerzeiten erinnert.

Die Rentnerin war neugierig, denn die Gegend um die Oberbaumbrücke und das Schlesische Tor ist ihr seit ihrer Kindheit vertraut. Bis zum 13. August 1961 passierten täglich 25 000 Personen diese Ost-West-Brücke, Grenzgänger, die auf der einen Seite wohnten und auf der anderen arbeiteten, Ostler, die für teures Westgeld im Westen kauften, was es im Osten nicht gab, und für Ostgeld ins Kino gingen. Die Schlesische Straße war voller Verkaufsbuden und Menschen. Als Ost-Kind war unsereiner oft dort, fasziniert von dem bunten Gewimmel, den Marktschreiern und der Kinoreklame. Über Nacht war es vorbei damit, die Grenze an der Brücke verrammelt, die Schlesische Straße mausetot.

Davon und vom Schock des Mauerbaus ist in der Ausstellung nicht die Rede, dafür vom beklemmenden Grenzregime, von tödlichen Fluchtversuchen und tragischen Unglücksfällen. Bisher unbekannte Fotos werden gezeigt, aufgenommen von Grenzsoldaten.

Ungereimte Aussagen fallen auf. „Westberliner Polizei und Grenztruppen der DDR schossen aufeinander“, liest man. Zwei derartige Fälle sind bekannt: bei einem tödlichen Fluchtversuch 1961 (Bernauer Straße, Mitte/Wedding) und bei der geglückten Flucht 1962 mit einem gekaperten Ausflugsdampfer über die Spree (Treptow/Kreuzberg). Die West-Polizei durfte gar nicht eingreifen, allenfalls zurückschießen, wenn Kugeln im Westen einschlugen. Na ja, es ist wohl immer noch schwer, ein gemeinsames Bild von der geteilten Vergangenheit zu zeichnen. Brigitte Grunert

„Vor dem Mauerfall“, Zwingli-Kirche, Rudolfstraße 14, 10245 Berlin, bis 9. November 2009, mittwochs bis sonntags 15 bis 19 Uhr.

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