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Was machen wir heute?: Uns pimpen

Als ich zuletzt beim Frisör war, machte der mich darauf aufmerksam, dass nunmehr zum Salon ein Kosmetikstudio gehört. Alles Mögliche könne man dort machen lassen, während man beispielsweise darauf warte, dass die Haarfarbe einwirkt.

Als ich zuletzt beim Frisör war, machte der mich darauf aufmerksam, dass nunmehr zum Salon ein Kosmetikstudio gehört. Alles Mögliche könne man dort machen lassen, während man beispielsweise darauf warte, dass die Haarfarbe einwirkt. „Was für eine gute Idee!“, rief ich. Und als dann meine Haarfarbe einwirken sollte, ging ich, ganz so, wie’s gedacht war, ins angeschlossene Kosmetikstudio. Die Chefin erklärte mir, was sie alles könne, Wimpernverlängerung oder Conture Make-Up, und Pediküre und Maniküre heißt ja längst Foot Care und Nail Art. „Nail Art?“, hauchte ich. Einen Fingernagel könne sie mal gratis behandeln, bot sie an, damit ich sehe, was für ein Gewinn das sei. Sie pinselte allerlei Verhärter auf den Nagel und dann malte sie den obersten Rand weiß an. Mit diesem Finger könnte ich jetzt auch im Garten arbeiten, ohne dass man die Dreckränder sehen würde, sagte sie. Ich war begeistert, obwohl ich gar keinen Garten habe. Nie wieder Fingernägel bürsten. Nie mehr Angst haben, sie reißen ein oder brechen ab. Herrlich.

Während also chemische Haarfarbe in meine Haare kroch, strich ich glücklich über meinen blendweißen Fingernagel, und ich strich und strich, und mein Glück bekam Risse: künstliche Haarfarbe, künstliche Nägel. Wie viel Künstlichkeit verträgt ein Mensch, bevor er zum Model wird? Plötzlich stach der künstliche Nagel plastikhässlich zwischen den naturbelassenen hervor. War ich schon zu weit den falschen Weg gegangen?

Der Salonchef wusch die Farbe weg, und herrlich glänzte mein Kopf.

Ich verließ den Salon, griff zu meinem Fahrrad, es kippte, meine Hand schnellte ihm nach, packte zu, hielt und rettete, aber ein Fingernagel war abgebrochen. Der neben dem neuen. Ich zuckte zusammen. Es war ein Bild des Elends. Der Triumph der Technik über die Natur. Es war ihr Abschiedsgruß an meine Zweifel. Heute lass ich die restlichen neun Finger machen. Und dann kommt Botox. Ariane Bemmer

Venus & Apoll, Tel. 81 80 47 94, im Frisörsalon Pauls Sisters, Chamissoplatz 6, Kreuzberg

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