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Kultur: Was machen wir heute?: Unter dem Kapitalismus leiden

Manchmal kann der entfesselte Kapitalismus ganz schön ungemütlich sein. Nehmen wir unseren Getränkemarkt.

Manchmal kann der entfesselte Kapitalismus ganz schön ungemütlich sein. Nehmen wir unseren Getränkemarkt. Der heißt Quelle - nomen est omen - und sitzt in der Paulstraße. Das versteht sich alles nicht von alleine: Es hat uns damals ein paar Wochen unseres Neuberlinerdaseins gekostet, bis wir "Quelle" fanden. Denn so ein Getränkemarkt muss unterschiedlichen Anforderungen genügen: verkehrsgünstig gelegen zwischen Wohnung und Büro, mit Parkplatz, damit wir die schweren Kisten nicht durch die halbe Stadt schleppen müssen. Außerdem bietet Quelle sogar einen Lieferservice, nicht gerade billig, aber bequem.

Am vergangenen Sonnabend war es wieder soweit: Sprudel, Orangensaft und Bier waren gleichzeitig alle. Doch die "Quelle" in der Paulstraße ist versiegt. Dort, wo wir das Geschäft wähnten, ist heute ein leerer Laden. Oder haben wir uns getäuscht? War es der nächste Block? Nein, dort kommen schon die S-Bahn-Bögen und auf der anderen Seite geht es zum Schloss des Bundespräsidenten. Einfach vom Markt verschwunden ist dieser Getränkemarkt. Natürlich finden wir es im Prinzip gut, wenn Firmen neu entstehen und wenig erfolgreiche Unternehmen vom Markt verschwinden. Aber als Kunde unseres Getränkemarktes wäre es uns lieber, wenn die Welt des Kapitalismus nicht so flexibel wäre, wie sie ist.

Nicht genug, dass wir jetzt wieder einen neuen Getränkemarkt suchen müssen. Im Kofferraum des Autos wackeln - Hinterlassenschaft von Quelle - auch noch zwei Kästen Gerolsteiner Wasser, ein Kasten kleines Flensburger Pils und ein Kasten Orangensaft, die in Zeiten des Mehrwegpfandes zurück gegeben werden wollen. Das haben wir versucht bei einem Supermarkt Mohren-/Ecke Wilhelmstraße. Dort ist die Flaschenrückgabe automatisiert; die Getränkekästen verschwinden in der Black Box. Sollten sie. Aber unsere Kästen kamen zurück. Auch beim dritten Versuch. Ein herbeigerufener Mitarbeiter erklärt, das Flens führe man nur in den großen Flaschen, Gerolsteiner gar nicht, und was nicht verkauft werde, werde leer auch nicht zurück genommen. Pech.

Wir warnen: Dieser Tagestipp wird ziemlich depressiv enden. Denn in der Wilhelmstraße haben wir unsere leeren Kästen unverrichteter Dinge wieder in den Kofferraum gepackt (wo sie heute noch stehen), um uns am nächsten Morgen auf die Suche nach einer Alternative aufzumachen. Dunkel hatten wir eine Ahnung von einem Geschäft in Mitte-Nord, irgendwo zwischen Tor-, Chausseestraße und Hackeschen Höfen. Die Ecke ist schön, wirklich, und wir haben jetzt auch endlich jene Schröderstraße gefunden, von der die Bekannten immer schwärmen. Doch der Getränkemarkt, Ecke Invaliden/Fehrbelliner Straße hat morgens um 8 Uhr 30 noch geschlossen. Dass wir jetzt kein neues Flensburger Pils im Haus haben, können wir uns mit Bezug auf den Kollegen Bernd Ulrich als Fastenopfer schön reden. Aber es gibt auch kein Mineralwasser. Und man kann doch nicht nur von grünem Tee leben?

Rainer Hank

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