zum Hauptinhalt

Was machen wir heute?: Vom Haus am See träumen

Ich kehre heim von der Arbeit. Unsere Villa am Wannsee ist hell erleuchtet, aus den Fenstern strömt warmes Licht und glitzert im Schnee, der den Vorgarten bedeckt.

Ich kehre heim von der Arbeit. Unsere Villa am Wannsee ist hell erleuchtet, aus den Fenstern strömt warmes Licht und glitzert im Schnee, der den Vorgarten bedeckt. Ich steige aus dem Wagen, der Garagenmeister nimmt den Autoschlüssel entgegen, mein Atem bildet Wölkchen in der eisigen Waldluft. Die Töchter öffnen die Tür, sie tragen Schleifchen auf der Brust, geben mir Küsschen und springen fröhlich davon. Im Foyer erwartet mich meine Frau im Abendkleid. Ich lege ab, wir gehen Hand in Hand ins Kaminzimmer, Francesca bereitet uns einen Aperitif.

Nach einer Viertelstunde werden wir zum Abendessen gerufen. Emma und Greta sitzen bereits artig am Tisch. Es gibt heute Fasan mit Apfelfüllung, Rotkohl und Klöße, dazu einen trockenen Grauburgunder. Wir unterhalten uns leise, keiner fällt dem anderen ins Wort, die Kinder benutzen keine hässlichen Ausdrücke, ich warte darauf, dass Greta unter den Tisch krabbelt, aber sie bleibt aufrecht sitzen und isst sogar vom Rotkohl – stutzig mustere ich das Mädchen und muss mich davon überzeugen, dass es tatsächlich unsere vierjährige Tochter ist. Nachdem wir unser Dessert beendet haben, erkundigen sich die Kinder höflich, ob sie von ihren Plätzen aufstehen dürfen. Sie verabschieden sich und werden von Mrs. Doubtfire zur Abendtoilette in den ersten Stock geführt. Ich streife mir den seidenen Abendmantel über und kann mir die Tagesschau live ansehen. Das ist mir einen Brandy wert. Danach gehe ich hoch zu den Kindern. Emma und Greta haben ihre Gute-Nacht-Geschichte gehört und liegen schon zugedeckt in ihren Betten. Jede bekommt zwei Küsse. Wir singen ein Schlaflied. Hier endet mein Traum und ich erwache. Zu viel ist irgendwie auch zu wenig, denke ich. Das wirkliche Leben fühlt sich besser an. Für das neue Jahr nehme ich mir darum nicht viel vor – außer zu hoffen, dass die Familie gesund bleibt. Stephan Wiehler

Wachträume gibt es im Circus Roncalli, letzte Vorstellungen am 1. Januar um 15 Uhr und am 2. Januar um 14 Uhr im Tempodrom, Möckernstraße 10-25 in Kreuzberg, Tickets unter www.berlin-ticket.de

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false