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Kultur: Was machen wir heute?: Vorräte vernichten

Seit Wochen ist bei uns im Garten ein Eichhörnchen aktiv. Eifrig schleppt es Nuss um Nuss in eins seiner zahlreichen Verstecke.

Seit Wochen ist bei uns im Garten ein Eichhörnchen aktiv. Eifrig schleppt es Nuss um Nuss in eins seiner zahlreichen Verstecke. Beinahe täglich können wir das flinke Tier dabei beobachten, wie es seine Vorräte für den Winter anlegt. Am Komposthaufen, an der Ligusterhecke, am Stachelbeerstrauch. Im Frühjahr werden wir wieder an allen möglichen Stellen im Garten auf halbverbuddelte Nüsse stoßen. Denn eines wissen wir: Eichhörnchen finden beileibe nicht alle ihre gehorteten Schätze wieder.

Warum erzähle ich Ihnen das hier? Die Sammelwut der Nager und ihre Vergesslichkeit haben ja nun wirklich keinen großen Neuigkeitswert. Das haben wir doch alles im Biologieunterricht gelernt, ungefähr in der fünften Klasse. Aber dieses Eichhörnchen erinnert mich einfach ungemein an meine Tochter Charlotte. Nüsse sammelt und versteckt sie natürlich nicht. Aber Süßigkeiten! Aus mir unerfindlichen Quellen - ich kaufe keine Süßigkeiten, wenigstens nicht für Charlotte - verfügt sie immer über ein beträchtliches Quantum an Naschwaren. Die Sachen einfach sofort aufzuknurpsen, kommt dem Kind in der Regel nicht in den Sinn. Meist knabbert es nur ein wenig daran, dann legt es Depots an.

Diese finde ich später irgendwo in der Wohnung: kleine Plastiktüten mit angelutschten Lollies, halb aufgegessenen Brausebrocken oder klebrigen angebrochenen Päckchen mit Colafläschchen. Unter ihrem Kleiderschrank, neben dem Handtuchregal, unter dem Kissen des neuen Sofas. Oder in der Waschmaschine, wenn ich mal auf die Taschenkontrolle ihres Anoraks vor der Wäsche verzichtet habe.

Wie das Eichhörnchen im Garten scheint auch Charlotte ihre Vorräte nicht unbedingt zu vermissen. Soll ich sie dann an das ganze ungesunde Zeug erinnern? Das muss eigentlich nicht sein. Zu viel Süßes ist schlecht, vor allem für Kinderzähne. Also parke ich die Beutelchen für eine Weile auf unserem Wohnzimmerschrank, um sicherzugehen, dass sie wirklich vergessen sind. Nach Ablauf dieser Schamfrist vernichte ich sie - bestimmt nicht in der Mülltonne. Beschwerden hat es noch nie gegeben; und sollte es sie geben, war das Haltbarkeitsdatum garantiert auch schon überschritten...

Als ich aber letztens ein paar unversehrte, große Osterhasen aus richtig guter, leckerer Schokolade entdeckte, da kam mir das Verfahren doch ein bisschen unfair vor. Also zeigte ich die Häschen vor, die ein gutes halbes Jahr völlig unbeachtet in einem Korb lagen, und bot einen Handel an: Ich würde sie ihr abkaufen. Das Kind scheint Kaufmannsgene zu haben. Gegen einen Zehner-Schein war es, ohne mit der Wimper zu zucken, bereit, mir die Schokohasen zu überlassen. Ein gutes Geschäft für beide Seiten. Auf Nachschub - jahreszeitlich bedingt Weihnachtsmänner - wird das Kind nicht lange warten müssen. Vielleicht werde ich die dann zu Ostern verstecken.

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