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Was machen wir heute?: Weglaufen

Wie eine Westberlinerin die Stadt erleben kann: Indem sie durch die Stadt joggt.

Als ich vor vielen Jahren meine ersten Joggingschuhe kaufte, achtete ich nur auf eins: den Preis. Denn dass ich laufen sollte, fand ich schon schlimm genug, und hässlich waren die Dinger ja sowieso alle, da sollte der peinliche Quatsch wenigstens nicht noch Geld kosten. So war das damals. Gekostet hat das Paar dann so um die 60 D-Mark. Das kann man sich ja heute gar nicht mehr vorstellen. Das sind ja 30 Euro. Ich meine, wer sich heute Joggingschuhe für 30 Euro kauft, der hat die wohl aus der Grabbelkiste neben der Kasse im allerbilligsten Billigmarkt. Und wer seine Joggingschuhe da kauft, der will damit gar nicht joggen, der trägt die zum Biertrinken.

Richtige Joggingschuhe kosten. Unter 100 Euro (unfassbare ehemalige 200 D-Mark) ist nichts zu holen. Und dann steht man da vor meterlangen Regalen im Laden, alles voller Joggingschuhe, und man kommt sich vor wie ein Depp. Weil einem zum Joggen offenbar nicht nur der Schuh, sondern jegliches Basiswissen fehlt. Im Joggingbereich ist längst jeder Schuh für etwas anderes besonders gut. Meist sind auf kleinen Kärtchen ein paar Details zum Modell notiert. Es geht dabei um Abrollverhalten und Bewegungsabläufe im Mittelsohlenbereich, um das Impact-Guidance-System (GT 2140), das Stützelement Duomax (Gel-1140 M), ein Sandwich-Mesh-Material (Air Structure Triax), Feuchtigkeitsmanagement durch Ventilation (Supernova), die Mittelsohle Spacetrusstic (Gel Kayano), um Vortrieb, Dämpfung, Überpronation. Und das klingt alles toll und wichtig, aber was weiß man schon?

Wahr ist: Wer anfängt, sich mit Joggingschuhen zu beschäftigen, mit dem Joggen im Allgemeinen, wer am Ende prüfbare Trainingserfolge sucht, Handgelenkslaufcomputer, Herzfrequenzmessgeräte, Trinkgürtel haben will, der gerät im Laden schon ins Schwitzen, ohne sich bewegt zu haben. Wahr ist außerdem: Erst danach ist Jogging wirklich zum Weglaufen. Ariane Bemmer

Laufschuhe mit Beratung bei Intersport, Schloßstraße 110, Steglitz, und: Gropius-Passagen, Neukölln

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