zum Hauptinhalt

Was machen wir heute?: Windowshoppen

Am siebten Tag sollst du ruhen und nicht shoppen gehen, so steht es in der Bibel, im Grundgesetz und in meinem Herzen geschrieben. Basta.

Am siebten Tag sollst du ruhen und nicht shoppen gehen, so steht es in der Bibel, im Grundgesetz und in meinem Herzen geschrieben. Basta. Am Sonntag darfst du windowshoppen. Komisch: Nostalgisch erscheint einem das Wort, das mal Avantgarde war, bestimmt eins der ersten englischen Wörter bei uns. Jetzt scheint’s praktisch ausgestorben zu sein. So wie die Sache selbst. Je mehr Läden am Sonntag aufmachen, desto mehr Schaufenster machen zu.

Dabei haben West-Berliner da früher eine besondere Kultur gepflegt: Am Kudamm steht eine lange Reihe von Schaukästen, die mal verlockend, mindestens kurios dekoriert waren. Appetithäppchen für die Läden der Umgebung – oft wurde man so erst in die Geschäfte in den Seitenstraßen gelockt. Und jetzt: sind die meisten Kästen einfach verdeckt. All die Ketten, die sich am Boulevard breit gemacht haben, zeigen nur noch ihre Namen: Lacoste, Jil Sander, Marco Polo, Wolford… Verschenkter Ausstellungsraum, visuelle Ödnis.

Wie elegant diese Schaukästen mal aussahen, kann man in einer der Seitenstraßen sehen: auf den Fotos von Klaus Lehnartz, in einer kleinen Ausstellung im Hotel Bogota. Der Fotograf zeigt West-Berlin, wie es mal war – die Gedächtniskirche im Winter 1961, praktisch ein Solitär, von mehr Lücken als Bauten umgeben, das prächtige Café Schilling – und daneben Ost-Berlin. Zu den kuriosesten Aufnahmen gehört eine NVA-Parade von 1976, in der die Männer aussehen wie schlecht rasierte und noch schlechter disziplinierte West-Berliner Statisten.

Mit seinen Ausstellungen im Frühstücksraum setzt der Hoteldirektor die Tradition des Hauses fort, in dem die legendäre Yva ihr Atelier hatte, bei der Helmut Newton in die Lehre ging. Dabei ist das Hotel selbst schon ein Ausstellungsstück. Eine schönere Telefonzelle wird man in der ganzen Stadt kaum finden. Und den Frühstücksteller hat Martin Parr zu Foto-Kunst gemacht. Susanne Kippenberger

Photoplatz im Hotel Bogota, Schlüterstraße 45, bis 22.11. Am Freitag wird eine Ausstellung mit Berlin-Bildern von Studenten der Neuen Schule für Fotografie eröffnet.

Zur Startseite