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Was machen wir heute?: Woanders feiern

Runde Geburtstage waren früher, soweit ich mich erinnern kann, immer sehr nahrhafte Feste, bei denen sich die Tischplatten unter all den Leckereien bogen, die aus Küche und Keller, aus Beziehungskisten, HO-Läden, Exquisit-Geschäften und aus dem Intershop zusammen kamen. Und dann erst der Geburtstagstisch!

Runde Geburtstage waren früher, soweit ich mich erinnern kann, immer sehr nahrhafte Feste, bei denen sich die Tischplatten unter all den Leckereien bogen, die aus Küche und Keller, aus Beziehungskisten, HO-Läden, Exquisit-Geschäften und aus dem Intershop zusammen kamen. Und dann erst der Geburtstagstisch! Da lag die literarisch-musikalische Bückware neben selbstgemachten Kassetten von Otto Waalkes bis zu Wolf Biermann, dazwischen Hühnergötter, Theaterkarten, auch schon mal ein Auspuff für den „Trabant“ oder ein Kistchen Müller-Thurgau aus Meißen.

Inzwischen haben die Zeiten nicht nur die Geschenke, sondern auch die Feierei verändert. Heute, zum Beispiel, wird meine Freundin Sigrid 70 Jahre alt. Sie ist das wandelnde Waage-Horoskop: ausgeglichen und ausgleichend, zum Diplomaten geboren, freundlich, musisch, klug und leise. Als sie sich der blauen Bluse der Romantik entledigt hatte, war sie das, was wir heute eine „taffe Frau“ nennen – und ist es bis heute geblieben. Aber runde Geburtstage finden längst nicht mehr nur in der Wohnung statt – Sigrid lädt ihre Freundesschar ins Theater ein. Sie mietet die komplette Vorstellung im „TiP“, dem Theater im Palais am Festungsgraben, einer freundlichen kleinen Bühne, die den Gästen eine Revue präsentiert. Und als Geschenk sollen wir nix Unnützes anschleppen, sondern einen Obolus für das Theater geben. Und Blumen, natürlich. Die Möglichkeiten zum Feiern sind unbegrenzt: Man miete sich eine Kneipe. Es kann auch das Restaurant im Fernsehturm sein, Berlin von oben, vom Rosinenbomber aus geht auch. Oder man sticht in die Spree, ich würde mir da die rot-weiße „Victoria“ nehmen, jenen Kahn, der eisern für den 1. FC Union Reklame schippert und auf dem der Hauptmann von Köpenick die Welt erklärt.

Und was nimmt man mit? In unserem Alter wird es immer komplizierter, Jubilaren eine Freude zu machen. Ich höre das schon: Bitte keine Geschenke, ich hab alles! Stimmt irgendwie. Aber wohl dem, der das so ungezwungen von sich sagen kann. Lothar Heinke

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