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Was machen wir heute?: Würdelos altern

Auf der Suche nach Informationen zu Fukushima stieß ich im Notfallplan eines deutschen Atomkraftwerkbetreibers auf eine verstörende Formulierung. Dort stand zum schützenden Jodtablettenverzehr, dass diese Pillen für „ältere Menschen“ grundsätzlich eher schädlich seien, ergänzend war hinzugefügt: also für Menschen ab 45.

Auf der Suche nach Informationen zu Fukushima stieß ich im Notfallplan eines deutschen Atomkraftwerkbetreibers auf eine verstörende Formulierung. Dort stand zum schützenden Jodtablettenverzehr, dass diese Pillen für „ältere Menschen“ grundsätzlich eher schädlich seien, ergänzend war hinzugefügt: also für Menschen ab 45.

BÄNG! Das saß.

In den Formeln der Atomindustrie ist das Mantra von „40 ist das neue 20“ oder auch „50 ist das neue 30“ wohl nicht angekommen, oder wird es ignoranterweise ignoriert wie damals in Fukushima die Erdbebengefahr?

Ich blätterte noch ein paar Mal zu der Stelle zurück, ob ich mich vielleicht verlesen hätte, ich hielt auch das Papier mal näher an die Augen, mal weiter weg, vielleicht kam hier eine Fehlsichtigkeit an den Tag, aber nein, es blieb dort so stehen. 45 = älter.

Als mich kurz darauf eine Bekannte ebenfalls nicht mehr jodtablettentauglichen Alters fragte, ob ich mit ihr zum Pilates gehen wolle, das sei so eine Art ruhige Gymnastik für die Alten, sagte ich sofort ja, und fand mich einen Tag später in einem schönen Frauenfitnessstudio auf einer Matte liegend wieder.

Auf dieser Matte rollten und wälzten wir uns eine Stunde ohne Pause herum, bis uns doch der Schweiß auf der runzeligen Stirn stand, begleitet von Kommandos einer sehr gelenkigen, sehr jungen Frau und zu eher flotter moderner Musik. Die Bekannte und ich waren ungefähr die einzigen aus der Jod-Risiko-Kohorte, was mich erstaunte. Nur eine Dame war noch älter, die allein wälzte sich noch ungelenker als wir und murmelte dabei auch noch Verwünschungen.

Nach dem Pilateskurs tranken wir in der Nähe noch einen Tee (gut für den Teint) und kamen auf die Frage, wofür es sich noch zu leben lohnt, wenn man erst 80 ist. Es war alles in allem ein recht trübseliger Abend, den ich tags darauf nur abschütteln konnte, indem ich in der Kinderabteilung eines Kaufhauses ein knallbuntes T-Shirt mit Aufdruck kaufte: „Atomkraft? Nein Danke“. Ariane Bemmer

Women’s Fitness, Pariser Straße 23, bietet viele Kurse an, Infos: womensfitness.de

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