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Kultur: Was Wahrheit war, wird Ware

Shake, shake, shake: Die Galerie Thumm zeigt eine Ausstellung über Kommerz

Es bedarf schon eines unerschrockenen Zynismus, um einen Hintern als „Geldmacher“ zu bezeichnen. Rapper Ludacris bittet in Anlehnung an den Blues-Klassiker von Elmore James zum Tanz in einer entzauberten Welt: „Shake your money maker / Like somebody’s ’bout to pay ya“. Auch die Gruppenausstellung „Shake Your Money Maker“ in der Galerie Barbara Thumm greift die Durchdringung aller Lebensbereiche mit dem schnöden Geld auf. Gerade der Künstler als neoliberaler Prototyp zwischen prekärem Rumwurschteln (die Regel) und Neureichtum (die Ausnahme) darf in den nihilistischen, gutgelaunten Refrain einstimmen. Doppelbödig ist dabei, wenn diese Musik aus einer kommerziellen Galerie schallt. Also bitteschön: Shake, shake, shake!

Die Berliner Künstlerin Bettina Allamoda hat diese Ausstellung kuratiert und steuert selbst die achtteilige „Shake Your Money Maker Flipchart Series“ bei. Die bedruckten Blätter enthalten kindgerechte Erklärungen: „Niemand gibt dir Geld ohne Grund“ oder „Willst du Geld, gib Leuten einen Grund, es dir zu geben“. Bilder aus Ratgebern, Comics und Magazinen illustrieren dieses betriebswirtschaftliche Proseminar, das ausdruckslos schöne Gesicht der Sängerin Gwen Stefani etwa, Gelddruckmaschinen und – natürlich – Ärsche. So einfach, so platt geht es wohl zu in geldbasierten Gesellschaften. Ach ja: Der Preis je Schaubild beträgt 500 Euro.

Während man Allamodas Arbeit schnell abnicken kann, werfen Jens Haanings und Olaf Nicolais konzeptuellere Beiträge Fragen auf. Der Däne Haaning bietet ein leuchtendes Ladenschild, das in einer Straße in Bagdad hing, für 25 000 Euro zum Verkauf. Mit diesem symbolischen kolonialistischen Akt potenziert er noch einmal das Prinzip Ready-made. Schärfer kann ein Künstler kaum auf Kontext und Raum, auf das Nebeneinander von Märkten und Wirklichkeiten verweisen. Auf die Kommerzialisierung der Produkte zielt auch Olaf Nicolais Präsentation eines Stickkissens: Die Reproduktion des Originals aus dem Besitz des marxistischen Theoretikers Georg Lukács ist hier ausgestellt wie ein Designprodukt. Statt einer Produktbeschreibung findet sich auf dem gerahmten Blatt daneben ein Marx-Zitat. Was Wahrheit war, wird Ware (Preis auf Anfrage).

In diese Kerbe schlägt auch das Wiener Künstlerpaar Johanna und Helmut Kandl mit seiner Wandarbeit aus Collagen, Texten, Siebdruck und Malerei, die ein ironisches Bild vom Postsozialismus in und um Berlin zeichnet. Ein Springbrunnen in Wuhlheide, ein verlassenes Kalkwerk in Rüdersdorf – versunkene Welten. Bedrückend: die Allmacht und Alternativlosigkeit des Marktes. Und so schüttelt man beim Verlassen der Galerie den Kopf, statt mit dem Hintern zu wackeln. dv

Galerie Barbara Thumm, Dircksenstraße 41, bis 3. März; Dienstag bis Freitag 11–18 Uhr, Sonnabend 13–18 Uhr.

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