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Kultur: Watteweich

Im Glaskasten: Martin Gostner bei Giti Nourbaksch

Die Kindheitserinnerung an eine Bohne, die im Sachkunde-Unterricht nicht in Erde, sondern in Watte zum Keimen gebracht wurde, drängt sich auf. Wer die Galerie Giti Nourbaksch betritt, steht vor einem Meer aus Watte, das den gesamten Boden der Galerie bedeckt. Martin Gostners Installation „Futurum Exactum“ wirkt reduziert, surreal und absolut weiß. Jeder gedämmte Schritt in die weiche, unförmige Masse löst widerstreitende Erinnerungen aus: kindlicher Spaß am formbaren Material, aber auch Wunden, Sterilität und Verunreinigungen.

In das Wolkigweiche ragen fünf kleine Plexiglaskästen. Ebenfalls mit Watte ausgelegt, eröffnen sie wie Terrarien ein Modellszenario. Jeder Kasten trägt links oben eine in weißer Handschrift geschriebene, irritierend konkrete Frage: „Wie werde ich gewesen sein?“, „Was wird aus mir geworden sein?“, „Wer wird mich gewollt haben?“ oder „Wie viel werde ich gehabt haben?“ Außen am Galeriefenster, wie ein großer Rahmen für die kleinen Glaskisten, liest man schließlich: „Wann werde ich es gekonnt haben?“

Die Zeitform der Fragen, das „Futurum Exactum“, das für in der Zukunft abgeschlossene Entwicklungen benutzt wird, impliziert die Vorstellung eines erwarteten Vollzugs. Das klingt unfair: Wie kann der Betrachter die Antwort kennen? Gepolstert (und so quasi gesichert) stehen die Fragen im Raum: Inszenierung eines poetischen Spiels, das sich über die sinnliche Erfahrung unvermittelt in sprachlich-konzeptionelle Bereiche ausbreitet, um dann bei jedem Schritt konkreter zu werden: Die Gegenwart bestimmt die Zukunft, ob als gesellschaftliche Vision oder als privaten Wunsch. Wer Bohnen will, muss erst auf die Idee kommen, sie zu pflanzen. (Preise zwischen 3600 und 8500 € pro Arbeit, Rauminstallation 50 000 €.)

Giti Nourbaksch, Rosenthaler Straße 72, bis 5. August, Dienstag bis Samstag 11–18 Uhr

Andreas Schlaegel

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